Frau Dr. Dr. h.c. Gret Haller bei libref. zu Gast


In Bivio und auf dem Julier werden wir nicht nur Topp-Referenten haben, sondern auch herrliches Wetter …

… denn wir versuchen unseren «Draht nach oben» stets aus zu nützen. Spass beiseite, vom Freitag bis zum Sonntag (und das für CHF 150 inkl. Halbpension – Basis DZ) befassen wir uns vor allem mit liberaler Religion. Jederman und jede Frau ist herzlich eingeladen, ob liberal, evangelikal, oder reformiert oder katholisch, ob Muslim, Sihks, Alevit oder in gar keiner Religion – wir werden alle vertreten sein. Seien sie herzlich willkommen. Für die Vorträge, die Bergpredigt aus (ja aus, nicht am) dem See mit den aktuellesten Berichten aus Pakistan von Dr. Yahya Hassan Bajwa oder der beiden preisgekrönten Kurzfilme «Aschenbrüder» und «Totengräber», den Rundgang etc. ist keine Anmeldung erforderlich – Zimmer können direkt beim Hotel Post in Bivio – 081 659 10 00 – wer an den Veranstaltungen teilnimmt bezahlt nur den Spezialpreis.

Ganz speziell freuen wir uns auf das Referat von Frau Dr. Dr. h.c. Gret Haller«Huhn oder Ei?» – Religiöser Frieden und Menschenrechte.

Lesen sie selbst, was sie am meisten interessiert, suchen sie sich die Publikationen heraus, die ihnen am meisten Spass machen, aber bitte vergessen sie die Zeit nicht und verpassen sie Bivio nicht. Das Referat findet am Samstag, ca. ab 14.15 statt. Hier nur so zwei drei Vorschläge …

WAS MACHEN DIE GÖTTER IN DER POLITIK ?
Die Schweizer Publizistin Gret Haller über den neuen Fundamentalismus und die Verantwortung Europas … weiter

AMERIKANISMUS, ANTIEUROPÄISMUS UND ANTIAMERIKANISMUS. Emotion und Ratio in den transatlantischen Beziehungen … weiter

VERANTWORTUNGSVOLLE UNTERNEHMEN – EIN WIDERSPRUCH IN SICH ? Keynote-Referat anlässlich der Preisverleihung «The Public Eye Award 2006» an der Gegenveranstaltung zum World Economic Forum (WEF), 25.Janaur 2006 in Davos

… «Geht man bei den Menschenrechten von einem Konzept der Pflichten aus, dann gibt es neben den Menschenrechten auch Menschenpflichten. Menschenrechte sind Freiheitsrechte gegenüber dem Staat, sie garantieren dem Individuum, dass es nicht vom Staat in seiner körperlichen Integrität und anderen Freiheiten beeinträchtigt wird. Jeder Mensch darf seine Menschenrechte dem Staat gegenüber einfordern und einklagen. Was aber soll geschehen, wenn sich nicht der Staat, sondern mein Nachbar so gebärdet, dass meine Menschenwürde verletzt wird ? Diese Frage beantwortet das Konzept der Pflichten im direkten Verhältnis zwischen mir und meinem Nachbarn. Mein Nachbar hat die moralische Pflicht, sich so zu verhalten, dass meine Menschenwürde respektiert bleibt. Und weil mein Eigennutz darin besteht, dass er sich so verhält, habe auch ich ein Interesse daran, mich so zu verhalten, dass seine Menschenwürde respektiert bleibt. Jeder ist also – sozusagen aus Eigennutz – verpflichtet, die Menschenwürde des Nachbars zu respektieren, damit seine eigenen Menschenrechte gewahrt bleiben. Das Freiheitsverständnis in diesem Konzept basiert auf der Vorstellung vom tugendhaften Bürger. Heute bezeichnet man dieses Freiheitsverständnis auch als kommunitaristisches Freiheitsverständnis. Es geht von der Vorstellung aus, dass sich die Individuen auf freiwilliger Basis zu Gemeinschaften zusammenschliessen, innerhalb welchen man sich gegenseitig anerkennt, und die verschiedenen Gemeinschaften, welche in einem bestimmten Raum zusammenleben, sollen sich auch gegenseitig anerkennen. In diesem Konzept der Pflichten kann die Pflicht so umschrieben werden, dass die Würde der anderen Menschen in der Gemeinschaft und die Würde der anderen Gemeinschaften respektiert werden soll … weiter …»

Es ist jeder selbst schuld, wenn er nicht nach Bivio kommt. Oder sind sie mit obigem Textausschnitt nicht einverstanden? Oder sind sie der Ansicht, dass das «Minarett-Verbot ein Schweizerischer Exportschlager» ist? Wir werden kein Minarett in Bivio haben, aber einen, der dieses Minarett bestens kennt und einen der die Wirtschaft, Politik und Religion wissenschaftlich analysiert und noch viele viele andere … und ich komme direkt aus Langenthal. Hier haben wir (noch) keine Minarette, nur «Totengräber» und «Aschenbrüder» und auch Patrik Freudiger. Päddy, wenn du Zeit hast, du bist herzlich nach Bivio eingeladen, wir haben schon oft mit einander diskutiert, sind manchmal nicht gleicher Meinung, aber wir akzeptieren andere Meinungen. Die Frage ist wer hat Recht und das wird vielleicht nicht einmal die Geschichte aufzeigen können. Aber wir können in Bivio diskutieren, weitere zum Handeln auffordern und haben die Menschenpflicht, eine (noch) bessere Welt zu gestalten.

Text: Stephan Marti-LandoltFinanzblog

Frankfurt – San Bernardino – Cazis – Bivio


Es gibt einige eindrückliche Kirchen auf dem Weg nach Bivio zu unserer Synode von Freitag bis Sonntag – es hat noch einige Hotelbetten frei – Prospekt über die Synode.

Wir haben uns die Frage gestellt, was verbindet Bivio mit Frankfurt am Main. Es sind die Altare, genau genommen der Herz-Jesu-Altar im Kaiser-Dom Sankt Bartholomäus und derjenige in der katholischen Kirche von Bivio. Es gibt ein Problem. Nicht, dass die Kirche normalerweise geschlossen ist – wir dürfen sie besichtigen – danke. Aber der Altar von Yvo Strigel der ursprünglich in Seth (oberhalb Schuls) war, ist wohl in Frankfurt zu besichtigen. In Bivio befindet sich der knapp vierhundert jährige Altar, welcher auch von Yvo Strigel gebaut wurde, nicht in der Kirche – er wird restauriert.

San Bernardino Dom

Bei der Anfahrt nach Bivio aus dem Tessin, via das Bündnerische Misox liegt am Südportal des San Bernardino Tunnels und des Passes das Dorf San Bernardino mit der einzigen mit einem Steindach versehenen Kuppelkirche im Alpenraum. Und dann gäbe es da noch eine Kirche an zu schauen – insbesondere die Deckengemälde. Aber ich denke, über die St. Martins Kirche Zillis wird einmal Ursi Tanner im Blog schreiben. Für solche publizistische Belangen gibt es keine Prädestiniertere als unser Mitglied das ein Buch über die biblischen Bilder der Martinskirche Zillis verfasst hat. Vielleicht treffen wir sie sogar in Bivio an …

Kirchen Cazis

… wer wie ich vom Unterland kommt, kann die Autostrasse verlassen und auf der Hauptstrasse durchs Domleschg fahren und trifft auf die beiden Kirchen von Cazis. Dank den Pfahlbauern dürfen wir davon ausgehen, dass jederman heute weiss, wo das Domleschg ist – dort wo sie das Salz abholten. Wir haben damals Salz liegen lassen – aufgelöst in Schweisstropfen. Der Brevetierungsmarsch. Etwas Gutes hatte es an sich. Wir haben jede Kirche, jede Kapelle, jedes Schloss, jeden altertümlichen Turm und jede Burg zwischen Tamins und Thusis besucht. Es ist vermutlich die Region in der Schweiz, die auf 15 Kilometer Luftlinie am meisten dieser Bauwerke auf zu weisen hat – bei den Burgen sind es nicht einmal Grossstädte, die von der Anzahl her «gefährlich» werden könnten. Sehr empfehlenswert, aber lassen sie die Vollpackung wenn möglich zu Hause … verpflegen können sie sich auch unterweg. Die erste «kleine Unterlage» pflegen wir in Reichenau zu uns zu nehmen …

Bunker von Cazis

… hier sollten sie unbedingt anhalten – Bunker, Wassertank? Nein, die vor 10 Jahren vollendete Steinkirche der evangelischen Kirchgemeinde Cazis – reifen aufgehenden Kastanien gleich. Eine der eigenwilligsten Kirchen, die ich je gesehen habe – aber auch eine der eindrücklichsten … urteilen sie selbst …

Cazis Kirche Front
Steinkirche Cazis
Steinkirche innen
Cazis Kunst
Steinkirche Kunst 2

Fotos und Text: Stephan Marti-LandoltFinanzblog

Merci an Pfarrer Wipf vom SEK für die tolle Reaktion


Die Antwort vom Präsidenten des SEK – Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund wollen wir nicht vorenthalten. Wir bleiben in Kontakt und für Bivio wünscht Pfarrer Thomas Wipf uns gutes Gelingen und Gottes Segen und bittet uns, seine Grüsse auszurichten, was wir sehr gerne machen werden.

Diese Antwort erfolgte auf unseren Beitrag und die Ergänzung unseres Präsidenten – übrigens, der 200. Blogbeitrag.

Lieber Herr Marti

Vielen Dank für Ihre Informationen mit dem Hinweis auf die Veranstaltung in Bivio. Sie nehmen ein interessantes und wichtiges Thema auf. Leider ist es mir nicht möglich, Ihrer freundlichen Einladung zur Teilnahme zu folgen.

Eben hatte ich langes Telefongespräch mit Pfarrer MBM (Anm. sml: Pseudonym «Balts». Er ist mir – als regelmässigem Leser des damaligen Schweizerischen Reformierten Volksblattes – natürlich ein Begriff und ein Gespräch mit ihm ist immer sehr anregend. Ich habe mich bei ihm entschuldigt, dass anscheinend Anfragen an den SEK nicht beantwortet worden sind. Obwohl wir täglich viele briefliche und elektronische Anfragen bekommen, passiert es selten, dass sie nicht beantwortet werden, aber es kann halt auch einmal geschehen. Vor allem bin ich als Präsident des Rates natürlich nicht in der Lage, dies zu überblicken. Selbstverständlich habe ich in der Geschäftsstelle jetzt den Auftrag erteilt, der Sache nachzugehen.

Ein Blick in den Blog libref, den Sie mir empfohlen haben, zeigte mir zweierlei: interessante Beiträge und eine kleine Diskussion unter der Titel: „Menschenpflichten: wieso schweigt der SEK?“. Ich bin dankbar, dass ich nun auch direkt darüber informiert worden bin, denn ich muss zugeben, dass ich sonst wohl nicht auf diesen Vorwurf gestossen wäre. Im Allgemeinen „schweigt“ der SEK natürlich nicht, was uns von vielen Seiten dankbar bestätigt wird. Auch zu den Menschenrechten haben wir uns intensiv geäussert. Ich erinnere an die ausführliche Dokumentation und Position des SEK „Den Menschen ins Recht setzen – Menschenrechte und Menschenwürde aus theologisch-ethischer Perspektive“ (2006), das dazugehörige sek bulletin 4/2006 oder die jährlichen Aufrufe zum Menschenrechtstag (Anm. sml: als Beispiel das Schreiben von vergangenem Dezember).

In Ihrem Blog kann ich mich natürlich aus zeitlichen Gründen nicht selber vernehmen lassen. Ich bin aber dankbar, wenn Sie das „Schweigen des SEK“ darin bei Gelegenheit ein wenig relativieren könnten.

Falls Sie Interesse haben bin ich sehr gerne bereit, einmal eine Delegation von libref zu einem Austausch in den SEK nach Bern einzuladen.

Ich wünsche Ihrer Versammlung in Bivio gutes Gelingen und Gottes Segen und bitte Sie, meine Grüsse auszurichten.

Mit herzlichem Gruss
Thomas Wipf

Danke für diese Antwort Herr Wipf. Im Blog haben wir die Diskussion beim Bericht über die swisseglise aufgenommen und ich werde in Bivio bei der ehemaligen Redaktorin des erwähnten «Schweizerischen Reformierten Volksblattes» (SRV), noch einmal den Wunsch äussern, so viele Ausgaben wie möglich elektronisch zu erhalten. Vermutlich sind sie bei der Druckerei noch gespeichert und wir könnten dann die verschiedenen Berichte zum Thema Menschenrechte, die vor Jahren erschienen sind, im Blog aufschalten. Das SRV wurde vor rund zwei Jahren eingestellt. Nicht als Ersatz, aber als Sprachrohr zur Welt haben wir das Blog gebründet, das pro geschriebenen Beitrag mittlerweilen über 1000 Visits hat – über 50 Prozent aus der Schweiz, Deutschland und Österreich.

0,6% die keine Zugehörigkeit zur Kirche haben, sind über 120 Jahre alt …


… auf Seite 57 nachzulesen in «Religionslandschaft in der Schweiz». Datensammlung durch die Volkszählung 2000 …

merke dir:
1. traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast
2. nach der Notlüge kommt die Lüge und viel später die Statistik – mit entsprechend ausgearbeiteten Statistiken kann alles bewiesen werden
3. je mehr «Zahlen-Gespühr» ein Mensch hat, desto besser kann er Statistiken analysieren, interpretieren und in die Zukunft interpolieren. Die Tendenzen sind wichtig, nicht die Nachkommastellen oder die minimalen Randerscheinungen.

Vermutlich werden die Statistiken in der Schweiz noch unpräziser. Die Volkszählungen werden aus finanziellen Gründen auf Stichproben reduziert. Statistiken sollen eine Stütze für den GMV, den «gesunden Menschen-Verstand» sein. Diese Zeilen nur als Warnung, denn Statistiken werden viel zu viel Beachtung geschenkt, ohne zuerst einmal nach zu denken, auf welche Resultate man kommen müsste. Und wenn sie nun denken, ich hasse Statistiken und sei schlecht in dieser «Disziplin», dann unterliegen sie einem statistischen Irrtum. Und wenn sie denken, ich hätte eine gute Abschlussnote in Statistik gehabt, dann liegen sie richtig, aber wissen immer noch nicht, wie weit ich einmal aus Wut meine Statistikbibel in den Schnee geschmissen habe – gegen 30 Meter.

Die Power-Point-Präsentation Religionslandschaft Schweiz enthält sechs Folien, die sie selbst interpretieren können.

Ich denke, dass wir vor fast zwei Jahren an der Kappeler Milchsuppe die 130 seitige Studie nicht schlecht interpretiert haben. Viele andere, die dieses schier unendliche Zahlenmaterial zu interpretieren versuchen, kommen auf ähnliche Aussagen. Im «Bild der Wissenschaft 2/2007» unter «Warum Glaube nützt» finden sie einige dieser Zahlen in den internationalen Vergleich eingebetet und lesen auch, dass Menschen die täglich beten im Schnitt 50% mehr Kinder (2,06) haben, als solche die nie beten (1,39).

Statistiken aber immer hinterfragen – waren hier, mit «durchschnittlicher Kinderzahl», nun Frauen gemeint oder Familien. Und wenn letzter gemeint war, wie berechnet man eine Familie? Ein ähnliches statistisches Problem wird heute im Finanzblog angeschnitten.

Zu den Power-Point-Folien und zum Bericht will ich nur einige ganz allgemeine Aussagen festhalten:

– die Mehrheit identifiziert sich mit Religion/Kirche

– die Katholiken und die Reformierten bilden immer noch die überweigende Mehrheit in der Schweiz

– die Reformierten nehmen stärker als die Katholiken ab

– es gibt Anzahl mässig immer mehr Glaubensgemeinschaften, deren Gesamtmitgliederbestand insgesamt aber nur schwach zunimmt

– «keiner Glaubensgemeinschaft angehörend» nimmt stark zu

Zur letzten Aussage ergänzt die Basler Studie, dass sich der grösste Teil davon immer noch mit der Religion verbunden fühlt. Die wichtigsten Austrittsgründe aus der Landeskirche sind «Steuern sparen» oder »mit dem Angebot nicht zufrieden».

Literatur:
– Religionslandschaft in der Schweiz – ISBN: 3-303-16073-2 – pdf-File als Gratisdownload – Bundesamt für Statistik – Bovey/Broquet – Neuchâtel 2004
– Ökumenische Basler Kirchenstudie – Ergebnisse der Bevölkerungs- und Mitarbeitendenbefragung – Manfred Bruhn (Hrsg.) – Basel 1999 – Zusammenfassung
– Die politische Gemeinde in der Schweiz und ihre räumliche Identität – Diss. Oskar Flück – Basel 2004
– Bild der Wissenschaft – 2/2007 – Warum Glaube nützt – Seiten 32 – 49 …

… (letzte Seite) «»Es hat etwas Bestürzendes, dass sich ausgerechnet jene, die die religiöse Lehre besonders ernst nehmen, als die Intolerantesten erweisen.» Damit zwingt sich eine Schlussfolgerung auf: Religion besitzt kein Monopol auf Moral.»

In diesem Zusammenhang werden wir demnächst die Referate des BEA-Fachseminars aufschalten.

Text und Power-Point-Präsentation: Stephan Marti-Landolt – Finanzblog

Menschenpflichten: wieso schweigt der SEK? – 2. Teil


Hier eine Ergänzung zur Anfrage an den SEK – Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund – aus dem früheren Blogbeitrag.

Ein Gedankenanstoss für den Kontakt mit Pfr. Thomas Wipf:

«Die Mühe des SEK mit den Menschen(rechts-) Pflichten erinnert an den aktuellen Diskurs um das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Volksrechten, den Bundesrat Chr. Blocher eröffnete. Die Diskussion in Deutschland um eine Leitkultur erscheint damit verwandt, und nun doppelt der SEK mit der Werte-Diskussion nach. Der Kern all dieser Dispute mag sein, dass eine Welt-Staat-Idee fehlt, d.h. ist ein Defizit, obwohl sich die Religionsstifter zwischen Konfuzius, Buddha & Christus im ‚ethischen Kodex’ eins waren. Ja der erste bekannt gebliebene Gesetzestext des babylonischen Hammurapi verpflichtet schon zum Schutze des Schwächeren, von Witwen, Waisen.

«Sein Codex umfasste einen Prolog, die 282 Gesetzesparagraphen und den Epilog, aufgezeichnet wurde er unter anderem auf einer ca. 2,25 m hohen Stele (ein freistehender Pfeiler) aus Diorit. Diese Stele wurde 1902 bei Ausgrabungen in Susa (Anm. sml: nicht das geschichtsträchtige Susa im Piemont) gefunden. Ihr ursprünglicher Standort ist unbekannt, vermutlich wurde sie von einem Eroberer aus einer babylonischen Stadt geraubt. Die Stele von Susa befindet sich heute im Louvre in Paris. Eine Kopie kann im Pergamonmuseum in Berlin besichtigt werden. Hammurapis Rechtssammlung war keineswegs einzigartig. Bereits 300 Jahre zuvor schuf der sumerische König Urnammu ein ähnliches Werk, und 100 Jahre vor Hammurapi ließ Lipitschar, König von Isin, ebenfalls eine Stele beschriften, d.h. das Recht ist ‚mit historischer Begründung’ als Pflicht geschaffen worden.» (Quelle: Wikipedia)

Noch heute erinnert unser Obligationenrecht (ZGB) daran. Obligo ist Verpflichtung. Das Obligationenrecht ist Quelle der Privatrechte aus Vertrag, illegitimem Handeln und Gesetz. Aufs Menschenrecht auf religiösen Frieden in theologisch-liberalem Sinne ‚umgemünzt’: Es ist die Pflicht, sich für den freien Zugang zu Gott jedermanns fernab von Dogmen, Zeremoniells , Vergottung einer Kirche etc. zu engagieren. Menschenrechtspflichten sind in der UNO-Charta zwar nicht explizit erwähnt, noch weniger eine Menschenrechtsverpflichtung auf religiösen Frieden, doch ist die (bewusste) Fiktion einer solchen Verpflichtung die Basis dafür, von Menschenrechte zu sprechen, sie durchzusetzen, wenn Menschen(rechte) verletzt werden. Um ein Verletzen von Menschen, nicht ein Verletzen von Menschenrechten dreht sich die Frage, wie längst hervorgestrichen worden ist, und insoweit sind Menschenrechtspflichten einzig ein diplomatischere Trick, um Menschenrechte zu behaupten zu haben, die immer noch einen schweren Stand haben (bspw. in der Ausweisungspraxis der Schweiz im Verhältnisse zu den Schwächsten im Asylwesen). Die Menschenrechtsverpflichtung ist die im Menschenrecht innewohnende Verpflichtung, das entsprechende Menschenrecht (auf religiösen Frieden) einzufordern, wenn Menschen in ihrer Glaubens- & Gewissensfreiheit beeinträchtigt werden: Propagieren von einem Recht auf religiösen Frieden, Begleiten von Prozessen, darin Glaubensfreiheit berührt ist, etc., bis sie im Willen der Völker und Länder als Freiheits-Garantie zu verankern ist: Ein ebenso hohes Ziel wie Demokratie, in welcher die Menschenrechts-Pflicht zu religiösem Frieden ‚inbegriffen’ zu sein scheint.»

Text: Jean-Claude Cantieni, Chur

Kirchtüre

Kirche Bivio

Anm. sml: Die reformierte Kirche Bivio ist offen, genau gleich wie die Mosche, nicht aber reformierte Kirchen in Zürich …

katholische Kirche Bivio
Öffnungszeiten

… Menschenrechte – Menschenpflichten – Religiöser Frieden kommen oft mit Krieg in Kontakt. Der Finanzblogger würde gerne einmal in die Kirche schauen, denn in Folge des Deutschen Krieges (auch Preussisch-Österreichischer Krieg genannt) von 1866 besteht eine Verbindung zwischen Bivio (220 Einwohner) und dem Kaiser-Dom Sankt Bartholomäus in der Finanzmetropole Deutschlands – in Frankfurt am Main genannt Mainhatten, für die einen der 2/3 Millionen Einwohner Sonnenseite, für die andern Schatten, bewölkt … Gegensätze, Rechte, Pflichten

Foto-(Montage) und Bemerkungen dazu: Stephan Marti-LandoltFinanzblog

Menschenpflichten: wieso schweigt der SEK?


«Die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten ist eine Initiative des InterAction Council, die als Gegengewicht und Ergänzung zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1997 den «Vereinten Nationen und der Weltöffentlichkeit zur Diskussion vorge­legt» wurde. Angelehnt an den Text der Menschenrechtserklärung, beschreibt sie statt Rechten eine Reihe von Pflichten, die allen Menschen auferlegt sind, allen voran, andere Menschen menschlich zu behandeln.

Inhalt

In mehreren Artikeln wird menschenfreundliches Handeln genauer behandelt. So gehört es zu den grundlegenden Richtlinien, sich friedlich zu verhalten, andere Menschen freundlich und verständnisvoll zu behandeln und hilfsbereit zu sein (siehe auch die Goldene Regel). Kein Mensch, kein Staat, keine Organisation, keine soziale Gruppe und kein staatlicher Apparat steht über den Dingen oder jenseits von Gut und Böse. Jeder Einzelne ist seinem Gewissen unterworfen, trägt die Folgen seines Handelns und soll sich im Geist der Brüderlichkeit verhalten. Dies verbietet das Kriegführen, die Gewalt und den Terrorismus, schließt allerdings die Selbstverteidigung im Falle eines Angriffs nicht aus.

In einem anderen Artikel wird ein Leben in Wahrhaftigkeit und Toleranz gefordert. Dies bedeutet zum Beispiel, dass niemand (auch kein Politiker, Reporter oder Wissenschaftler) seinen Mitmenschen belügen, betrügen oder manipulieren soll. Hass, Gewalt und Krieg im Namen einer Religion, einer Weltanschauung oder einer politischen Meinung widersprechen dieser Erklärung. Religionsgemeinschaften und Autoritäten, die Feindschaft, Gewalt, Intoleranz oder gar Krieg predigen, verdienen den Verlust ihrer Gefolgschaft und ihres Ansehens.

Einen hohen Stellenwert hat die Gleichwertigkeit von Mann und Frau und die Partnerschaftlichkeit in der Ehe. Das Zusammenleben von Mann und Frau soll von Liebe, Treue, Dauerhaftigkeit und Respekt geprägt sein. Die Ehe soll den Ehepartnern und den Kindern Geborgenheit und Schutz geben. Es darf niemand gegen seinen Willen gezwungen werden, jemanden zu heiraten. Sexuelle Ausbeutung und Gewalt werden als verwerflich abgelehnt.

Ein weiterer Artikel fordert ein gerechtes und faires Verhalten und einen angemessenen Umgang mit Eigentum. Jede Form des Diebstahls, der Ausbeutung, des Betrugs, der Übervorteilung sowie eine ungerechte Wirtschaftsordnung werden als ungerecht und unmenschlich betrachtet. Jeder Mensch soll sein Eigentum so gebrauchen, dass es zugleich der Allgemeinheit dient, Luxus und Protzen werden abgelehnt.

Die Ehrfurcht vor dem Leben beschränkt sich in dieser Erklärung nicht auf das menschliche Leben, sondern schließt Tiere, Pflanzen, den Erdboden, das Wasser und die Luft mit ein. Die Menschen sollen Sorge dafür tragen, dass die Natur und die Mitgeschöpfe geschützt und erhalten werden.

Der letzte Artikel legt fest, dass keine Bestimmung dieser Erklärung so ausgelegt werden darf, dass ein Staat, eine Organisation, ein Staatsapparat, eine Religionsgemeinschaft, eine soziale Gruppe oder ein einzelner Mensch die Menschenrechte von 1948 verletzt.

Unterzeichner
Die Erstunterzeichner der Erklärung waren: Helmut Schmidt, Malcolm Fraser, Andries A.M van Agt, Anand Panyarachun, Oscar Arias Sanchez, Lord Callaghan of Cardiff, Jimmy Carter, Miguel de la Madrid Hurtado, Kurt Furgler, Valéry Giscard d’Estaing, Felipe González, Salim al-Hoss, Kenneth Kaunda, Lee Kuan Yew, Kiichi Miyazawa, Misael Pastrana Borrero, Schimon Peres, Maria de Lourdes Pintassilgo, José Sarney, Shin Hyon Hwak, Kalevi Sorsa, Pierre Elliott Trudeau, Ola Ullsten, Georgios Vassiliou und Franz Vranitzky.

Weblinks

* InterAction Council: Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten (Vorschlag vom 1. September 1997)»

Obiger Text ist aus Wikipedia kopiert: Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten (hier mit unterlegten Links).

Warum zuerst Menschenpflichten? Hier steckt Brisanz dahinter. Die Menschenpflichten wurden erst 1997 unterzeichnet, von hochrangigen Experten vorbereitet und befürwortet. Aber nicht von allen. Einer, nennen wir den mal Balts, wollte über das «wieso nicht» mehr wissen und hat vor Monaten ganz offiziell den SEK um Stellungnahme gebeten. Und wie aus Weinfelden geschrieben, der Zufall wollte es, dass Thomas und Andreas sich per «Du» kennen und ich so ein ganz klein wenig die Hintergründe um Pflichten und eben Rechte. Das ergab dann die interessante Diskussion. Der Balts hat aber kürzlich noch einmal an den SEK geschrieben, weil er noch keine Antwort bekam. Wäre doch toll, wenn die Antwort von Thomas Wipf hier als Kommentar erfasst würde. Falls er den Briefwechsel nicht hat, etwas könnte ich liefern – es müsste halt gescannt werden. Oder gesandt, die Adresse habe ich auch auf der Visitenkarte.

So, nun muss ich langsam Schluss machen, ich will noch Richtung Chrämerhuus. Vielleicht treffe ich einen von «Die Aschenbrüder» und/oder «Die Totengräber», denn schliesslich haben wir mit diesen Filmen in Bivio was vor. So hat man halt so seine Pflichten und nicht nur Rechte. Auf dem Wuhrplatz hat auch schon ein anderer Balts gespielt. Ja man kennt sich in Musik, Film und Kirche und manchmal auch echt kreuzweise.

Und manchmal lernt man sich auch als Quartierbewohner kennen und diskutiert. Im Februar 1985, bei Kälte und Sturm mit schreiender Tochter, «Gang doch e chli der Aare naa, Dere schöne, schöne, schöne grüene Aare naa, Dere Aare naa», genau der Aare entlang hat mir einer der an der gleichen Strasse wohnte, gesagt: «Toll wie sie mit ihrem Bobbie (St. Galler mögen mir allfällige Schreibfehler verzeihen) spazieren gehen. Das ist nicht nur ihre Pflicht, geniessen sie dieses Recht.» Die eine ist mittlerweilen etwas grösser, denn damals mit vierzehn Tagen, studiert demnächst in Madrid weiter «International Relation» und der andere hat die Menschenpflichten unterschrieben – Bundesrat Dr. Kurt Furgler.

Ich nehme an, dass der SEK nicht stiller bleibt, kein Has ist und auf «Balts» (nicht der Ueli) Brief antwortet. Als Pseudonym hab ich eben Balts gewählt, weil dies schöner ist, als MBM. Und der bekannte Balts hat vor Jahren glaub ich sogar am Wuhrplatzfest mit dem Stillen Has das folgende Lied musikalisch begleitet. Und wieso das Stück Tequila halleluja? Weil ich heute schon einmal zufälligerweise über Tequila geschrieben habe …

Tequila halleluja

CD «Chole», 1998, (Soundservice 70398-2)
Text: Endo Anaconda, Musik: Frank Gerber

Ha tröimt i heig der Jesus troffe ire miese Bar
Wie ne Abwart i de Trope mit syne länge Haar
Mir hei zäme zwöi Herrgöttli gnoh u die halbi Stadt yglade
E Vollruusch mit däm heilige Maa cha myner Seel nid schade

U d Lüt hei afa bätte u gränne wäg de Chole
Der Jesus het kes Bargäld gha, nume ds Hemmli u d Sandale
Wo drum sy Père, der Liebgott, de Mönsche d Chole heig verteilt
heig är us Wasser Wy gmacht, het är üs verzellt

Är het über alles wölle rede am Grund vomene Glas
Är het üs üsi Sünde glost u groukt mys letschte Gras
Tequila halleluja, der Himmel het Kredit
u niemer hätt sech dänkt, dass es e falsche Jesus syg

Hei Chrigu, bring Four Roses, aber bitte schryb se aa
Zahle muess der Moses, i bi morn scho nümme da
Der Moses chunnt cho zahle, hei Chrigu, tue nid doof
süsch chasch zu mir cho reklamiere, i bi vom Chef der Goof

Wär hütt nid chotzt dä isch ke Guete u d Lüt hei gsoffe wie ne Chue
Chrigu, heschs notiert, der Jesus isch drum zue
Wo d Party isch am schönschte gsy ke Spur vom liebe Gott
u i ha nes brochnigs Nasebei und Lokalverbot

Dä het über alles wölle rede am Grund vomene Glas
Är het üs üsi Sünde glost u groukt mys letschte Gras
Tequila halleluja, der Himmel het Kredit
u niemer hätt sech dänkt, dass es e falsche Jesus syg

Gefunden bei stiller has

… und weil der Text eigentlich passt …

Tequila - Agave

… und ich einige Pflanzen zum zubereiten von Tequila besitze. Aber hoffentlich dient diese riesige Agave in den nächsten Jahren nur zur Augenweide – es gibt auch vereinzelte in Frankreich.

Hier noch die «Allgemeine Erklärung zu den Menschenrechten» – die Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948.

Foto und Text: Stephan Marti-LandoltFinanzblog

«Wir sind Kirche! – Eine antwort an den Papst.»


9 Thesen zum Gottesdienst vom 5. August 2007 in der reformierten Kirche Langenthal, gehalten von Pfarrer Dr. Werner Sommer.

«K a t e c h i s m u s 3

Was ist Kirche?

1. Jesus von Nazareth wollte keine Kirche gründen. Seine Absicht war – mit Hilfe der zwölf Jünger – die zwölf Stämme Israels wiederherzustellen. Motiviert wurde er durch seine Überzeugung, dass der Anbruch des Reiches Gottes unmittelbar bevorstehe.

Dass der historische Jesus keine Kirche gründen wollte, ist heute in der neutestamentlichen Wissenschaft – sowohl katholischer- wie protestantischerseits – weitestgehend common sense. Auch scheinen in den ersten Jahrhunderten bei den Laien die Grenzen zwischen Judentum und Christentum fliessend gewesen zu sein. Die Schriften der Theologen suggerieren klarere Grenzen.

2. Wenn die Kirchen bis heute lehren, dass Christus die christliche Kirche gegründet habe, so bezeugen sie im Grunde damit die sekundäre Entstehung der Kirchen. Denn „Christus“ ist die Bezeichnung für den – mit historischen Methoden nicht erfassbaren – Auferstandenen. Er ist Chiffre für die nach Jesu Tod einsetzende christliche Tradition und Gemeindebildung.

Es ist immer problematisch, mit historisch gewachsenen Begriffen die Vergangenheit erklären zu wollen. Das zeigt sich besonders deutlich am Begriff „Kirche“. ̉Εκκλησία (Ekklesia), bzw. im Plural ̉εκκλησίαι, bezeichnen im Neuen Testament die unterschiedlichsten Formen von Zusammenkünften: Kirche als Gesamtbegriff (wobei damit nicht eine verfasste Organisation gemeint ist, sondern der soziologisch greifbare Leib Christi), die Ortsgemeinde(n), aber auch Versammlungen und sich spontan zusammenfindende Gruppierungen.
Erst in den sog. Frühkatholischen Briefen scheint eine deutlichere Organisationsform aufzuscheinen. Wobei auch die dort erwähnten Bischöfe nicht Bischöfe im modernen Sinne (Leiter eines Bistums in apostolischer Sukzession) gemeint sind, sondern es sind (so weit erkennbar) eine Gruppe von administrativen Funktionären innerhalb einer Gemeinde!
Die Form der heutigen katholischen Kirche setzt sich erst im Verlaufe der Jahrhunderte durch. Ihre moderne geschlossene Organisationsform ist eine recht junge Entwicklung, die mit dem Tridentinischen Konzil (1545 – 1563) und der daraus folgenden Katholischen Reform ihren Anfang genommen hat.

3. Seit Anbeginn gibt es verschiedene Gemeindeformen und Organisationsstrukturen. Sie konkurrieren miteinander, sie kooperieren aber auch; immer gibt es auch isolierte Entwicklungen.

Berühmt sind die Auseinandersetzungen des Paulus mit Petrus und der sog. Jerusalemer Urgemeinde (Gal. 2). Paulus gelingt es, für seine Missionsgemeinden eigene Regeln (sowohl theologischer wie auch organisatorisch unabhängiger Art) durchzusetzen. Als Konzession an den Führungsanspruch des Herrenbruders Jakobus und der Jerusalemer Gemeinde führt Paulus in seinen Gemeinden eine Kollekte zugunsten der Jerusalemer Gemeinde durch. Petrus ist offensichtlich zuständig für die judenchristlichen Gemeinschaften.
In 1.Kor.3, 22 erscheinen drei konkurrenzierende Gemeindehäupter: Paulus, Apollos und Petrus. Paulus legt dabei den Nachdruck auf die Feststellung, dass nur Christus das Haupt sei, der wiederum Gott unterstellt sei.
Eine isolierte Kirchenentwicklung finden wir z.B. seit dem beginnenden Mittelalter auf der Insel Irland. Die dortigen Christen geben sich eine klösterliche Organisationsform. Daneben gibt es unzählige andere Entwicklungen (z.B. in Mesopotamien, in Arabien – wo sie den entstehenden Koran beeinflussen – in Indien, in China usf.).

4. Auch die theologische Entwicklung verläuft uneinheitlich. Die Grenzen innerhalb und ausserhalb der christlichen Gemeinden sind unscharf. Erst mit dem Eingreifen Kaiser Konstantins auf dem Konzil zu Nicäa 325 beginnt sich allmählich eine einigermassen einheitliche Orthodoxie durchzusetzen.

Jüdisch-orthodoxe und jüdisch-hellenistische Einflüsse, neuplatonische und andere philosophische Ideen, hellenistische Religionen, gnostische (in den verschiedensten Spielarten), mönchisch-asketische, römisch-juristische, magische, mystische und später als „liberale“ und „orthodoxe“ deklarierte Vorstellungen durchmischen sich. Daneben gibt es auch eine starke Märtyrerbewegung. Es gibt noch kein einheitliches Lehramt. Die christliche Religion ist in ihren Anfängen eine „Patchworkreligion“.
Die neuen Handschriftenfunde apokrypher Schriften zeigen ein immer differenzierteres und auch zunehmend komplizierteres Bild der christlichen Religion in der Spätantike.
Die nach 325 einsetzende kirchliche Entwicklung ist weder theologisch noch organisatorisch gradlinig. Das setzt sich bis in die Gegenwart fort.

5. Die sog. „Apostolische Sukzession“ ist historisch nicht haltbar und theologisch äusserst fragwürdig, bindet sie doch das Wirken des Heiligen Geistes an einen rein formalen äusseren Akt.

Die „Apostolische Sukzession“ geht auf die Stelle Mt 16,18 ff. zurück, wo Jesus zu Petrus sagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Ekklesia bauen…“ Auf dieses Wort geht die Berufung des Petrus und seiner Nachfolger als Leiter (Papst) der Kirche zurück. Die Vollmacht „zu lösen und zu binden“ wird durch Handauflegen an alle Priester weitergegeben.
Wenn das Wort auf Jesus zurückgeht, dann bedeutet es, dass Petrus die Führung des neuen israelischen Stämmebundes zu übernehmen hat (eine moderne „Kirche“ stand nicht im Blickfeld des historischen Jesus! S.o. These 1). Auch sind aus der spätmittelalterlichen Kirchengeschichte Beispiele von gültigen Priesterweihen ohne apostolische Sukzession bekannt.
Theologisch besonders fragwürdig ist die starre Regelung, dass der Heilige Geist durch eine – magische – Geste (Handauflegung) gebunden und zum Handeln gezwungen wird. Es gibt genügend Stellen im Neuen Testament, die genau das Unverfügbare von Gottes Handeln betonen („Der Geist weht, wo er will“…Christus spricht: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“…).
Zwingli hat immer wieder die ungebundene Macht Gottes angesprochen. Gerade als Reformierte haben wir das Unverfügbare des Heiligen Geistes zu betonen. Unsere Gottesdienste sind – genau gleich wie auch die beiden Sakramente – eine ständige Bitte um das Kommen des Heiligen Geistes. Wir haben Gott nicht. Im besten Falle hat er uns!

6. Die reformierte Kirche ist im Grunde keine Kirche sondern eine Gemeinschaft!

Die katholische Kirche spricht den protestantischen Kirchen wegen des Fehlens der Apostolischen Sukzession und dem damit verbundenen ungültigen Sakramentengebrauch den Titel „Kirche“ ab. Wenn „Kirche“ eine einseitig männlich organisierte hierarchische Struktur mit Apostolischer Sukzession meint, dann ist zumindest die reformierte Kirche tatsächlich keine Kirche!
Der Titel, der katholischerseits den protestantischen Kirchen zugestanden wird, ist der von „Gemeinschaften“. Diese Bezeichnung trifft m.E. das Wesen der reformierten Kirche besser. Gemeinschaft ist eine Organisation Gleichrangiger, unabhängig von Geschlecht und Beruf (sie haben mit dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ernst gemacht!). Gemeinschaft kennt keine fixen hierarchischen Strukturen. Gemeinschaft ist dynamisch und immer unterwegs. An Gemeinschaft kann jedermann, der will, teilhaben – auch die katholische Kirche.
„Gemeinschaft“ ist theologisch höher zu bewerten als „Kirche“: Gemeinschaft heisst lateinisch communio, Teilhabe. Mit diesem Begriff wird katholischerseits das Abendmahl umschrieben als Teilhabe am Göttlichen. Communio ist auch – gemäss dem Apostolischen Glaubensbekenntnis die „Gemeinschaft der Heiligen“. Offenbar stehen die Protestanten mit ihrer „Communio-Struktur“ Gott und den Heiligen näher, als es die katholische Kirche tut!


7. Die reformierte Kirche als Gemeinschaft ist eine offene Weg- und Suchgemeinschaft. Sie steht prinzipiell jedermann offen.

Als volkskirchliche Organisation bleiben wir mit jedermann guten Willens im Gespräch. Da wir nur Bittende um den Heiligen Geist sind, ist jedermann dazu eingeladen, mit uns an diesem Bittgebet, das unsere Existenz darstellt, teilzunehmen.
Wir sind theologisch keine Besitzenden. Wir sind Suchende. Wir sind Hoffende und Bittende. Wir sind im besten Falle Gebende.

8. Als offene Weg- und Suchgemeinschaft sind die Reformierten prinzipiell für alles Denken offen und kennen keine Tabus. Reformierter Glaube ist demgemäss eine „Patchworkreligion“. Er nähert sich damit wieder den altkirchlichen Ursprüngen.

„Patchworkreligion“ ist nicht gemeint im Sinne von Beliebigkeit, sondern im Sinne des frühen Pauluswortes (1.Thess. 5, 21): „Alles prüfet, das Gute (τὸ καλόν) aber behaltet.“
Eine grundsätzliche Offenheit zeichnet das reformierte Denken aus. Er ist allen neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft aufgeschlossen und versucht sie in seinen Glauben einzubauen. Das bedeutet aber auch, dass der reformierte Weg der schwierigere ist: denn er ist prinzipiell nie abgeschlossen. Immer wieder muss er überprüft, korrigiert und überdacht werden. Es gilt der Satz aus dem 19. Jahrhundert: „ecclesia reformata semper reformanda!“ (die reformierte Kirche ist immer zu reformieren).

9. Kirche ist dort, wo versucht wird, gemeinsam den christlichen Glauben zu leben.

Man sollte um der Vor-Läufigkeit des Glaubens willen, die Gestalt der Kirche nicht überbetonen. Sie hat auch keine eigene Sakralität; sie ist eine menschliche Organisation zur Stützung, Bewahrung und Weiterentwicklung des Glaubens. Daher sind im Grunde alle Diskussionen um die „wahre Kirche“ eine Auseinandersetzung um des Esels Schatten oder um des Kaisers, bzw. des Papstes Bart!

Kirche hat mit Gemeinsamkeit, mit Gemeinschaft zu tun. Der christliche Glaube kann tatsächlich ohne Kirche gelebt werden. Diese ist ja keine göttliche Stiftung. Doch sucht der Glaube auch immer gemeinsame Wegabschnitte mit andern Menschen. Diese (punktuellen) Wegabschnitte kann man Kirche nennen. Daher können auch wir Reformierte sagen:
Wir sind Kirche!

Pfarrer Dr. Werner Sommer, reformierte Kirche Langenthal-Untersteckholz

Pfarrer Dr. Werner Sommer

Lieber Werner, danke, dass wir deine Predigt wieder geben können. Der Papst war nicht zugegen, aber gut 200 Interessenten von Nah und Fern. Ich hab mich entschuldigen lassen – solche Predigten verpasse ich sonst nie, denn die sind spannend. Tagesthemen, das wollen die Leute hören. Und der neueste Stand vom Papst-Besuch in Bivio – er hat sich noch nicht angemeldet.

Foto und Zusammenstellung: Stephan Marti-LandoltFinanzblog