Dr Yahya Hassan Bajwa hat mir den nachfolgenden Artikel zugestellt, den ich euch nicht vorenthalten will. Gesprochen haben wir zusammen im Neuen Zürcher Hinterland – in einem indischen Restaurant, das nicht zu verachten ist und ins Netz gestellt wird dieser Artikel, den sie ruhig einmal ausdrucken können, in einem reformierten Teil von Südfrankreich. Und bevor sie zu lesen beginnen: Haben sie sich für die zweite Kappeler Milchsuppe schon angemeldet?
Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass der Mensch agressiv ist, scheinbar unabhängig davon, wie zivilisiert eine Gesellschaft ist. Die westlichen Zivilisationen haben im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege geführt – war das Massenvernichtung im Namen Gottes? Christen vernichteten Christen. Muslime töteten Muslime – wie im Krieg zwischen Iran und Irak, wie aber auch in den jetzigen Anschlägen in London! Weshalb scheint es, dass Religionen Blutvergiessen und Mord im Namen des Friedens erlauben? Glaubt man den heutigen Kommentatoren, dann ist Islam eine Religion des Krieges. Islam führe zu Gewalt, Zerstörung und Chaos. Dieser Glaube habe vor, die ganze Welt zum Islam zu bekehren. Dies ist auch die Auffassung der Amerikaner und deren Verbündeten. Ihre aggressive Aussenpoltik beruht und legitmiert sich auf das Schreckgespenst Islam. Ein Fürsprecher dieser Politik ist auch Bassam Tibi, der sogar behauptet, dass der Islam Gewalt für dessen Verbreitung propagiert und dass Terrorismus zum Islam gehört – ein klarer Widersprich zum Koran! Auch die Behauptung, dass bis zu 15000 Islamisten in der Schweiz ihr Unwesen treiben entbehrt jeder Grundlage. Viel besonnener reagieren unsere Bundesräte, die von einer „ganz kleinen Zahl von Fundamentalisten“ sprechen und uns vor einer Hetze gegen die muslimimischen Mitbürger warnen. Charakteristisch für Religionen ist, dass sie revolutionär sind. Jesus und Muhammad predigten den Ärmsten, sprachen von Gleichheit aller Menschen vor Gott. Ein Ärgernis für die herrschende Schicht, die schon damals die Religion zum Geschäft gemacht hatte. Eine Tatsache, die heute sogar vermehrt gilt, unabhängig, welche Religion wir untersuchen – Christentum oder Islam!
Der Heilige Koran – eine Richtschnur für die Muslime
Für die Muslime ist der Heilige Koran die Richtschnur, der Verhaltenscodex im Leben. Er wurde dem Propheten über viele Jahre offenbart, zuerst auswendig gelernt und anschliessend niedergeschrieben. Der Koran ist, wie auch andere religiöse Schriften, autoritativ und normativ. Er bestimmt das Leben eines Muslim. Gerade die drei Buchreligionen fordern von ihren Anhängern, dass sie sich mit der Schrift und dem Glauben auseinandersetzen sollen. Der Koran schreibt vor und spricht Recht. Er ist Wort Gottes und somit vollkommen. Nichts darf hinzugefügt, abgeändert oder weggenommen werden. Doch die Religion wird täglich von den sogenannten Gottesgelehrten für wenig Geld, Macht oder Einfluss verschachert. Ist es richtig, dass der Islam die Weltherrschaft anstrebt, Religionsfreiheit unterdrückt und Menschen, die vom islamischen Glauben abfallen, umbringen lässt?
Im Christentum haben wir diese dunkle Zeitepoche hinter uns, als St. Augustin von der „gerechten Verfolgung“ sprach, als durch die Inquisition tausende Menschen wegen Ketzerei und Hexerei verbrannt oder weil sie sich weigerten, ihren Glauben aufzugeben und Christen zu werden, hingerichtet wurden. Wie steht es mit den heutigen muslimischen Denkern? Einigen „Islamgelehrten“ macht es überhaupt keine Sorge, dass ihre Intepretationen des Korans gegen den Inhalt der Heiligen Schrift verstösst. Einer der wichtigsten islamischen Denker für die arabischsprachige Welt war Syed Qutub, der wiederum durch Abu Ala Maududi, dem Gründer der indischen Jamaat-e-Islami, stark beeinflusst wurde. Maududi schrieb, dass Muhammad 13 Jahre lang versuchte, die Araber mit allen Mitteln zum Islam zu bekehren. Als all dies nichts fruchtete, nahm er das Schwert. „Das Schwert erreichte noch was – es nahm ihnen [den Ungläubigen] ihre Blindheit, so dass sie das Licht der Wahrheit sehen konnten und heilte sie von ihrer Arroganz“ – Mord als Mittel zur Erleuchtung!
Der Koran und die Frage der Glaubensfreiheit
Verschiedene muslimische Gelehrte weisen immer wieder auf die Tatsache hin, dass der Islam auch mit Gewalt zu verbreiten sei – dies sei der wahre Dschihad. Ein Muslim habe auch nicht das Recht, seinen islamischen Glauben zu wechseln. Ein solcher Akt müsse mit dem Tod bestraft werden. Im heutigen Pakistan, das durch Maududi und ähnliche Denker geprägt ist, werden immer wieder Menschen umgebracht, weil sie vom Islam „abfallen“. Doch was steht wirklich im Koran? Die vielleicht wichtigste Aussage im Koran lautet: „Es soll kein Zwang sein im Glauben. Gewiss, Wahrheit ist nunmehr deutlich unterscheidbar von Irrtum. ” (Kapitel 2, Vers 257) Diese Offenbarung erhielt der Prophet in Medina, nach der Auswanderung aus Mekka. Zu einem Zeitpunkt, als die Muslime nicht mehr verfolgt wurden und auch bereits Macht ausübten – sie hätten Zwang in dieser Frage anwenden können. Doch gemäss Koran hat niemand dieses Recht. Die Gewissensfreiheit wäre eigentlich ein weiterer Pfeiler im islamischen Denken. So heisst es im Koran: „Und sprich: „Die Wahrheit ist es von eurem Herrn: darum lass den gläubig sein, der will, und den ungläubig sein, der will.” (18:30) Einen Glauben anzunehmen ist ein Entscheid, in den sich niemand einzumischen hat. Dies ist ein Beschluss zwischen der entscheidenden Person und Gott. Somit wird klar, dass die Glaubensfrage eine streng private Angelegenheit ist. In diesem Prozess hat weder ein Mullah oder irgendein anderer „Islamgelehrter“ und schon gar nicht ein Staat Platz! Trotzdem wird immer wieder von Eiferern behauptet, dass niemand seinen Glauben wechseln darf. Doch wie verhält es sich dann mit der folgenden Koranaussage: „Die aber glaubten und hernach ungläubig wurden, dann (wieder) glaubten, dann abermals ungläubig wurden und noch zunahmen im Unglauben, denen wird Allah nimmermehr vergeben noch sie des Weges leiten”. (4:138) Gemäss der Interpretation von Gelehrten wie Maududi, wird ein solcher Mensch bereits nach dem ersten Wechsel umgebracht. Somit ist entweder die Aussage im Koran falsch oder die Interpretation von Maududi – wie kann einer, der vom Islam „abfällt“ wieder Muslim werden und nochmals seinen islamischen Glauben aufgeben und dann sogar noch im Unglauben zunehmen? Weiter steht auch nicht, wie die Strafe zu sein hat, ausser, dass Gott eine solche Tat nicht vergibt und einer solchen Person seine göttliche Leitung entzieht. Religionsfreiheit war zu Beginn des Christentums wichtig, als jedoch die Christen die Macht übernahmen, wurde sogar durch Justinian (482-565) die Todesstrafe für den Abfall vom Christentum eingeführt.
Wie soll der Koran interpretiert werden?
Religionsgemeinschaften, die an die Macht kommen, reagieren oft ähnlich – intolerant. Wer eine andere Meinung vertritt, als die herrschende Glaubensmeinung, ist schnell ein Apostat. Religiöse Führer und Staatsoberhäupter vertreten diese Ansicht, denn hier geht es direkt um ihre eigene Macht, die sie auf keinen Fall verlieren wollen. Der Gedanke der Apostasie, die heute in vielen islamischen Köpfen ihr Unwesen treibt, ist diktatorisch und tötet das Denken ab. In solchen Gesellschaften, in denen die Menschen Angst haben, ihre Meinung öffentlich zu vertreten, stirbt auch die Zivilcourage. Niemand ist bereit, sich für das Recht einer anderen Meinung einzusetzen, weil er selber mit Verfolgung oder Ächtung rechnen muss. Somit stirbt auch die religiöse Weiterentwicklung – ein innerer Prozess eines jeden Gläubigen. Man überlässt das Denken und das Interpretieren der eigenen Religion einigen wenigen, die sich lauthals als „Gottesgelehrte“ ausgeben. Diese Situation haben wir zum Teil auch heute noch in Afghanistan – auch nach der „Befreiung“. Dies galt auch für Pakistan unter dem fundamentalistischen Diktator Zia ul Haq, Benazir Buttho oder Nawaz Sharif. Erst Musharraf gelang es, die nach Religionszugehörigkeit getrennten politischen Wahlen nach über 20 Jahren aufzuheben. Nur die Ahmadiyya Muslime, die seit 1947 in der Schweiz vertreten sind, sind auch heute noch aus diesem Prozess ausgeschlossen – dies ist ein Kompromiss des pakistanischen Präsidenten mit den Fundamentalisten, die die Ahmadis seit 1974 nicht mehr als Muslime anerkennen. Hier wird klar, dass Religion oft mit Politik und der Frage nach Macht vermischt wird.
Gedankengut eines Maududi oder Qutub vertreten das Denkschema aus dem christlichen Mittelalter. Doch weder Jesus, noch Muhammad predigten die Todesstrafe bei Apostasie. Das sind Interpretationen, die viel später hinzugefügt wurden. Die Hadith, Überlieferungen zu den Taten Muhammads, geben auch keinen Hinweis auf ein solches Gesetz. Der Prophet hat sich strikt an den Koran gehalten! Der Gedanke der Todesstrafe bei Apostasie ist sowohl Jesus, als auch Muhammad fremd. Dieser Gedanke fördert Diktatur und Gewalttaten in den islamischen Ländern.
Ein Aufruf an alle Muslime zum selbstständigen Denken
Terrorismus ist ein globales Problem. Heute wird jede Untat eines Muslims als islamischer Terror tituliert. Interessant ist, dass die Medien praktisch nie vom christlichen, jüdischen, hinduistischen oder Sikh-Terrorismus sprechen. Entsprechend ist uns auch nur bekannt, dass es eine islamische Atombombe gibt – die übrigen Atombomben sind anscheinend religionsneutral. Doch, anstatt die Ursachen nur im Westen zu suchen wird es Zeit für die Muslime, endlich den Mut aufzubringen und ihre eigene Religion den Mullahs aus der Hand zu reissen und wieder anzufangen eigenständig zu denken. Zurück zum Fundament, zum Koran und nicht zu irgendwelchen obskuren Interpretationen. Religionsmissbrauch wird in allen Religionen betrieben. Nur das Mitdenken kann gegen Missbrauch schützen. Zivilcourage ist gefragt – aber nicht immer einfach. Trotzdem, es gibt keinen anderen Weg, um wieder Glaubens- und Meinungsfreiheit zu erlangen. Rechte, die eigentlich im Islam verankert wären.
Dr Yahya Hassan Bajwa
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CH-Baden, 8.7.2005