Kirche bewegt – Stellungnahme zum Verfassungsentwurf des SEK


libref. hat den Verfassungsentwurf des SEK, mit welchem der Kirchenbund in eine Institution mit dem Namen „Evangelische Kirche der Schweiz“ umgewandelt sein will, wie folgt kommentiert und an den SEK adressiert.

Verfassung und Freiheit

Der Gedanke der Verfassung ist in der Geschichte mit demjenigen der Freiheit gekoppelt. Das gilt für unsern ‚Schweizerischen Verein für freies Christentum’ – im Kürzel libref.- im Besonderen. Er wurde als Lobby 1867 gegründet, um die erste grosse Verfassungsrevision zu begleiten und mit dem Begehren darin einzugreifen, die personale Glaubens- & Gewissensfreiheit einzuführen. Der Erfolg dessen, dass diese Freiheit als Schlüssel aller andern Freiheiten der Liste der Freiheitsrechte gesichert war, bewog, die IARF, International Association für religous Freedom 1901 an der Weltausstellung in Bosten mit zu begründen. libref. ist dank diesem weltweiten Horizont im Menschenrechtsrat der UN in Genf aktiv vertreten, um dort den liberalen Gedanken, die Erfahrung hervorzustreichen, dass – wo überall die Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt wird, die Würde der Menschen, Frieden und Wohlstand am ehesten für Viele zu gewährleisten sind.

Eine neue Kirche?

Skepsis gegenüber dem Ansinnen des Verfassungsentwurfs galt es trotzdem anzumelden: Was wird eine Evangelische Kirche der Schweiz sein: Eine neue Kirche? Bleibt sie ein Zusammenschluss der Kantonalkirchen und weiteren Kommunitäten?

Kirche von unten?

Ist gewährleistet, dass sich der neue kirchliche Körper als Kirche von unten versteht, der auch integriert, wer sich in den tradierten Strukturen der Landekirche nicht mehr effektiv verstanden fühlt. Das angestammte Kirchenvolk hat sich ausgedünnt, der (innere) Missionsauftrag ist geblieben. (Mt 28,19-20). Ferner: In welchem Sinne biblizistisch versteht sich die ‚neue Kirche? Wie weit spannt sie den Offenbarungsraum. Welche Rolle spielt die Theologie als Wissenschaft darin?

Der (neue) Kirchenratspräsident übt ein ‚geistliches Amt’ gemäss Entwurf aus. Wie verträgt es sich mit dem reformatorischen Laienpriesteramt – kurz vor dem 500 Jahr-Jubiläum der Reformation?

Libref als Kommunität?

Kommunitäten könnten auch aufgenommen werden. Wäre der „Schweizerische Verein für freies Christentum“ eine solche Kommunität? Was sind die Kriterien? Ob libref. sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben hat, wird noch mit der Basis zu diskutieren und von ihr zu entscheiden sein, sobald die Entscheidungssituation definiert ist. Nächster Anlass dazu ist die Mitgliederzusammenkunft am 25. Oktober 2014 in Erlenbach/ZH.

Finanzen

Wie finanziert sich das neue Kirchengebilde: Ein Mitglied, eine Stimme, besagt der Entwurf. Das klingt zwar ur-demokratisch, und doch bleibt es fragwürdig. Hätte libref. –würden wir zu den Kantonalkirchen als sogenannte Kommunität stossen, wozu der Entwurf ermächtigt, die gleiche Stimmkraft wie bspw. der bevölkerungsreiche Kanton Zürich haben?

Verfassung soll zu Stimme verhelfen

Der Idee der Verfassung nach, Menschen zu einer Stimme zu verhelfen, welche aus dem Reiche der Sprache heraus gefallen sind, indem die Vernunftsprache das Andere ihrer selbst verbannt, ist eine Verfassung zu formulieren, welchem jedem Einzelnen eine autonome Sprecherhaltung zugesteht. Sie lehnt sich an Luthers ‚Hier bin ich, ich kann nicht anders’ an. Der Reformator hatte sie der klassisch-griechischen Parrhesia, freier Rede entlehnt, deretwegen das alte Athen sich verdiente, eine frühste Demokratie genannt zu werden. Eine neue Verfassung sollte solche Nischen und Räume nicht schliessen, sondern öffnen, denn Ordnungen und daher Ränder dessen, was in der Sprache möglich ist, existieren. Der Verfassungsgeber steht vor ‚stummen Lücken’, hat vornehmlich radikale stimmliche Ohnmacht derer zu erfassen, deren Stimme gar nicht erst ‚Quelle’ hat werden können, statt von ihr schon Überzeugte zu überzeugen. Er hat Kirche von unten her zuvorkommend zu gestalten, wenn Geschichte ein Schweigen überwölbt, dem anheim fällt, was in ihr gar nicht vor zu kommen hat.

Verabschiedet: Vorstand libref. 13. November a.c.

libref – wir nehmen den 147. Jahrgang in Angriff – hier finden sie weiterführende Links und im Kommentar einige zu kantonalen Stellungnahmen

Toleranz oder Gleichheit


Ein Mail von einem unserer Zürcher Mitglieder, das ich euch nicht vorenthalten möchte.

Heute in der NZZ gelesen (Nr 256 vom 4.11.2013 Seite 3) „Der 1930 geborene syrisch-libanesische Dichter Adonis gilt als der massstabsetzende arabischsprachige Lyriker des 20. Jahrhunderts“. Im Interview sagte er:

„Es geht dabei nicht um Toleranz – dieses Wort mag ich nicht. Denn der Begriff Toleranz ist immer mit einer Art Rassismus konnotiert. Wenn ich jemanden *toleriere*, heisst das: Ich bin zwar im Besitz der Wahrheit, aber ich lasse dich reden. Das Wesen des Menschen jedoch fordert Gleichheit. Wir brauchen nicht Toleranz, wir brauchen Gleichheit.“

Diese Erklärung scheint mir sehr menschlich und liberal und gefällt mir.

Hans Trachsler, Zürich

Hier noch der erwähnte Artikel aus der NZZ: «Der Text ist das, was der Leser aus ihm macht»

Danke Hans für diesen Hinweis und dass es dank deinem massgeblichen Einfluss gelungen ist, die Zürcher Sektion wieder zur «Auferstehung» zu bringen.