Samstag, 25. August 2018 – 2. Etappe bei «Friede herrscht – proref pilgern»

Die einzelnen Pilgerstationen 20 – 39 mit dem Thema «Kinder Krieg-en» sind hier ausgiebig beschrieben. Ich beschränke mich auf einzelne Stationspunkte mit Ergänzungen oder speziellen Erlebnissen.

Zufall? Als ich heute die friedlich geschossen Bilder auf den Kompi rüberbeame und zu schreiben beginne, spricht einer im Radio. Ralph Wiki. Ralph kennen wir doch, wie er genau eine Woche vor unserem ersten Pilgertag betet (unten am Beitrag). Die Hitparade August 1981 läuft. Damals war ich etwas mehr im Stress – mitten in den Abschlussprüfungen. «Oh no no» in der Parade – ich hab es trotzdem geschafft, also «Flieg nicht zu hoch mein kleiner Freund«. Eine der schönsten Schnulzen, die je die Leiter erklomm. «La Provence» und «Angel of the morning«, das gut zum gestrigen Pilgermorgen passt.

Wir treffen uns am Europaplatz beim Haus der Religionen. Rund hundert Anwesende! Huch, uns dürfte ein anstrengender Tag bevorstehen! Nur keine Angst, die PilgerfreundInnen halten sich in Grenzen. Wir stossen auf die Vorbereitung des Festes der Hindus und verweilen länger als geplant hier. Toll die Stimmung hier. Wie das Fest genau heisst, bekomme ich nicht mit … schaut selbst. Eine Pilgerin begleitet uns, die als Kleinkind etwas Tamil verstanden hat und bis zum Alter von 5 1/2 Jahren in Indien lebte. Deutsch der Eltern und Englisch mit dem Hauspersonal und im Kindergarten war schon genug. Also begnügten wir uns Englisch und Deutsch.

Wir werden von Vasanthamala Jeyakumar ganz herzlich begrüsst und stellen fest, dass das Fest in zwei Stunden beginnt. Brigitte Rothach weilt in den Ferien. Ihr Mann, Konrad Schmied ist der Präsident der Lang-Siftung und am Freitag habe ich meinen Kommentar zur Stiftungsaufsicht abgegeben. Die Teilnehmer würden sich freuen, wenn wir die übernehmen werden. Damit sind schon mindestens drei Vorstandsmitglieder dafür. Statutengemäss brauchen wir jetzt noch zwei und der «Handel» ist abgeschlossen und die Stiftung kann den Handelsregistereintrag vervollständigen. Greifen wir zwei Stunden vor:

Feuer auf dem Kopf! Dabei ist es heute gar nicht so heiss. Der erste «vernünftige» Tag diesen Sommer fürs Pilgern – 17 Grad. Einmal gab es kurz Regen … aber später mehr dazu und jetzt wieder der geplanten Reihenfolge der Pilgerroute nach.

Vorbei an der schönsten Stein-Brache in der Stadt Bern – dem Warmbächli, dem Standort der ehemaligen Verbrennungsanstalt. Verbrennung – das Stichwort. Drei Tage vorher habe ich es fertig gebracht, Tapeten zu entfernen, die siebenundvierzig Jahre hinter einem Schrank angeklebt waren. Genau dort, wo keine UV-Strahlen hinkommen. Tapete, Kleister und Wand haben sich so total verfestigen können. An Stellen, wo Licht dazu kam, hat Wasser und der Tapetenfuchs oder Tapetenigel gereicht, um alles zu entfernen. Also muss man das Dampfgerät zu Hilfe nehmen. Dampf am Körper macht nicht wirklich Spass. Vor allem in der Halsgegend, wo es beim Pilgern vom Stoff reibt. Schwedenbitter ist nicht ganz einfach in der Schweiz aufzutreiben, aber eine Schwedenmischung geht auch. Bräuchte vierzig Tage zum Ansetzen. Daher improvisieren und mit Biorahmquark vermischen und darunter gehackten Breit- oder Spitzwegerich und Frauenmänteli mischen. Hilft echt gut und vor allem die Brandstellen täglich mehrmals mit Ringelblumensalbe einreiben …

… immer scheine ich zumindest einen gut gesinnten Engel um mich zu haben. Ich schalte eine Gedenkminute auf dem Bremgartenfriedhof ein und danke, dass ich hier, damals noch Teich, «nur» eine Nahtoderfahrung hatte. Die meisten, die hier ruhen, waren eine Stufe weiter gekommen. Todernstes Thema, aber wir haben heute extrem viel gelacht … das hilft über manches hinweg. Wer Sarkasmus nicht verträgt, springt zum nächsten Absatz. «In Österreich ist ein Gleitschirmpilot in den Friedhof abgestürzt. Bisher hätten sie 200 Tote geborgen.» Das erzählte mir ein Gleitschirmpilot, als wir im Tandemflug sechshundert Meter über dem Friedhof von Adelboden schwebten – bei aufziehendem Wintersturm. Eines stellen wir fest, auf dem Bremgartenfriedhof hat es immer weniger Gräber. Heute werden vor allem Gemeinschaftsgräber bevorzugt …

… wo heute vor allem Engel vorherrschen.

Auf der andern Seite der namenlosen Brücken schauen wir uns die Drehscheibe an. Sie existiert immer noch. Vermutlich sogar unter Denkmalschutz. Einen brauchbaren Link finde ich nicht. Drehscheibe ist ein vielfältiges Wort. Wir könnten es in der Schweiz für Frieden brauchen, wobei die Mehrheit der Politiker unsere Meinung nicht nachvollziehen kann. Die Hitparade kommt mir in den Sinn. Genau genommen Nicole – «Ein bisschen Frieden«. Übrigens, auf unserer Pilgerei entdecken wir viele schöne Blumen …

… und die ersten «Herbstblätter». Blätter, die nach langer Dürrezeit beim ersten Regen abgeworfen werden.

Wir diskutieren über ein kleines Buch – «Wer war der Apostel Paulus?» herausgegeben von Jochen Streiter. Es folgt demnächst eine Rezension auf diesem Blog. Das Buch wird von einer Pilgerin auf der Nachhausefahrt ins Tessin gelesen und heute an jemanden weitergegeben, der Martin Werner, den Verfasser, kannte.

Die Paulus Kirche, die schönste Kirche in Bern, war am Samstag geschlossen. Das erste mal hab ich sie von innen gesehen, als ich noch nicht einmal einjährig war. Taufe. Von aussen ist sie auch wunderschön. Grund genug, dass einige Pilger noch einmal nach Bern kommen werden. Wir werden aber entschädigt. Bei der Uni Tobler findet das Sommerfest der Paulus Kirchgemeinde statt.

… ein herrliches Gebäck von syrischen Flüchtlingen. Wir denken an die Panzerhallen der von Roll, die einige Strassen entfernt sind. «Bundesrat lockert Exportverbot für Waffen.» Der wohl traurigste und umstrittenste Entscheid unseres heutigen Bundesrates. Wir Pilgerer sind eindeutig dieser Meinung. Übrigens, es müsste ja Pilger heissen, aber darüber haben wir in der Routenbeschreibung geschrieben.

Wir denken kurz an den Europaplatz zurück. Wieso heisst der nicht Weltplatz?

Zumindest hier herrscht Frieden. Auf dem grossen Flohmarkt kauft sich eine Pilgerin, eben nicht Pilgererin, eine modische Jacke für zehn Franken … gut, denn später bricht ein Sturm los, begleitet von Regen.

Die Kirche Köniz «von» Max Balsiger zeigt sich von aussen in ihrer düstersten Stimmung.

Die Engelbank ist zum Abflug bereit, schon auf Schemeln – «auf dem Weg zu Max?». Er wird von oben Freude an den nächsten Bildern haben!

Ursprünglich die älteste Kirche im Raum Bern …

Katholisch, zumindest der Decke nach zu urteilen – falsch, reformiert.

Die Königin Bertha von Claude beschrieben. Die Beschreibung von Longchamp geht nächste Woche in geänderter Schrift an eine Bekannte, die heute in hohen Alter mit einer übergrossen Lupe lesen muss.

Auf alle Fälle hatte unser früherer Präsident ein ganz stattliches Zuhause.

Langsam, nur 30, am Schluss des heutigen Tages und schon etwas müde.

Vielfältig war der Tag – der riesengrosse Wandbehang an der St. Michael Kirche in Wabern …

… und was finden wir fast am Schluss, kurz vor der Swisstoto. Einen Dolendeckel und ganz in der Nähe müsste das Lager der Dolologen zu finden sein – «der Einstieg zur Unterwelt«. Ein Mitglied in diesem Verein ist auch aktives Mitglied in der Sektion Bern. Vielleicht kommt er nächstes Jahr mit und erklärt uns einer der nächsten anzupilgernden Punkte in der nächsten Umgebung.

Der dritte Pilgertag – Inter-/Nationale Kirchen-/Politik -könnte spannend werden. Unser Präsident Jean-Claude Cantieni hat sich letztes Jahr bereit erklärt, diesen zu leiten. Diskussionspunkte gibt es viele. Zwei der letzten Tage:

Aber ganz am Schluss haben wir noch einen Blick nach oben gemacht …

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… zum Garten Tower, dem neuen Wahrzeichen von Wabern.

Hier geht es zur Übersicht – Friede herrscht – liberales Pilgern.

Scheich Bentounès und Pfarrer Ernst Sieber

 

Zwei Beiträge unserer Vorstandsmitglieder darf ich ins Blog stellen. Der IARF-Weltkongress in Washington und die ausführliche Würdigung  von Pfarrer Ernst Sieber. Vermutlich hatte er viele Ähnlichkeiten mit Sheik Bentounès.

Die IARF-Tagung von Dr. Verena Burkolter, Brissago

REIMAGINING INTERFAITH  – „Die Gemeinschaft der Religionen neu interpretiert“

war das Thema des 32. IARF- Kongresses zu dem sich aus aller Welt und von allen Religionen rund 300 Teilnehmer (darunter auch eine grosse, geschlossene Gruppe von Japanern) versammelten, um sich Können und Fähigkeiten dazu zu erwerben und Netzwerke zu bilden, um Basisaktivitäten für die Friedensförderung zu stärken. Dieses Treffen soll alle Teilnehmer interaktiv bewegen, um ihren persönlichen Glauben und das tägliche Leben zu reflektieren. Von den Ideen her soll zu konkreten Aktivitäten geführt werden.

In einem der Tagungsräume in der Washington University stellten sich verschiedene Gruppierungen vor. So z.B. die IARF- chapters, die united nations assembly der USA,
das Wesley theological seminary.

Neben Vorträgen, Podiumsdiskussionen mit Vertretern aller teilnehmenden Religionen waren die CIRCLE-GROUPS sehr wichtig: in verschiedenen Sälen sassen um runde Tische immer neun Teilnehmer verschiedener Religionen zusammen, die jede Stunde neu gemischt wurden, um die gestellten Fragen zu antworten. In den Neunergruppe wurde manchmal auch unterteilt in Zweiergruppen, damit in einer ruhigen, stressfreien und freundlichen Atmosphäre offen  relevante persönliche Erfahrungen auszutauschen, zu reflektieren und zukünftige Handlungen zu planen. In den circle-groups gab es täglich ein Blatt mit positiven Affirmationen und Gedankenverstärkungen für jeden Teilnehmer wie z.B. „Ich komme jetzt als Mitglied dieser grossen Gemeinschaft in den Saal und gebe jeden Gedanken an Trennung auf.“ „Ich verwandle mich vom ICH zum grossen DU und bin eins mit dem Leben und unserer erweiterten globalen Gemeinschaft.“

Immer morgens um 07 h vor dem allgemeinen Programm und abends um 20.30 h gab es die Möglichkeit an einer interreligiösen Zusammenkunft (Gebet, Gesang, Meditation)
teilzunehmen.

Nach dem wichtigen  Punkt der Wahlen am 1. Tag (Witske Dijkstra gibt ab und neuer Präsident ist für die nächste Periode Ince aus England) sticht der PLENARY LUNCHEON des 2. Tages hervor: die Verleihung des Albert Schweizer Preises an den Sufi-Scheich Khaled Bendounès. Seit 1975 wird dieser Preis von IARF vergeben. Frühere Empfänger des Preises waren z.B. der Dalai Lama, sowie Karen Armstrong.

Scheich Bentounès ist Präsident der internat. Sufi-Vereinigung Alawiyya, die 2014 eine internat. Kampagne der Uno initiierte zur Errichtung eines Tages des „friedlichen Zusammenlebens“ der für den 16. Mai festgelegt wurde. Der Scheich hat Zentren im Welschland. Gerne würde er auch das Tessin und die Deutschschweiz besuchen, hat mir sein Sekretär gesagt.

Scheich Bentounès Haltung zu Religion ist universal und alle einschliessend. Er ist gleichermassen im Zentrum von mystischen Zusammenkünften wie auch bei interna-tionalen politischen Manifestationen.

Am gleichen Nachmittag fand dann vor dem weissen Haus in Washington eine Friedensdemonstration mit Reden und LIedern  statt – initiiert von IARF. Die Polizei war rund-herum beobachtend dabei.

Durch die ganze Konferenz wurde man in vier Themenreihen eingteilt. Das Zufallslos bestimmte mich für Thema 2 „Seine Gemeinde für den sozialen Wandel organisieren.“ Das Ziel : „Alle Mitglieder mit Werkzeugen versehen, damit sie ihre Gemeinde zu sozialem Wandel führen können.“

Inhalt der Thema 2 – Zusammenkunft war ein Ueberblick über das Vorgehen einer Gemeindereorganisation – geleitet von verschiedenen Religionsvertretern. Es wurde ein Kreis-lauf der Organisationsbildung dargestellt.
– Begonnen wird mit einer 1:1 – Beziehungsbildung. Jeder Initiator führt  -zig solche halbsstündige Gespräche mit schon bekannten Partnern, oder Unbekannten, die man kennenlernen möchte,  um eine task-force für den sozialen Wandel zu bilden. Es sind nicht Kaffeeklatschgespräche, aber auch keine therapeutische Sitzungen.
Auf diese Weise hat z.B. die Leiterin meiner Gruppe gezielt einen Banker für ihr Netzwerk aquiriert, der ihre Organisation auch finanziell unterstützte.

– Es folgen gemeinsame Sitzungen, wo vor allem zugehört wird, bis man sich zu einem gemeinsamen Ziel findet. Das Ziel der Organisation hat nicht vorgängig schon der Initiator bestimmt.
– Nun folgt die Bildung von Planungsteams.
– Darauf Studium der Medien für Schritte zum Ziel.
– Wichtig ist hierauf die Analyse der örtlichen internen und externen Machtverhältnisse.
– Nun wird ein sehr erfolgversprechender, eher kleiner Zielpunkt, der bestimmt zu gewinnen ist, angepeilt.
– Es folgen einzelne private Aktionen, um Eigeninteresse und mögliche Unterstützung / Verhinderung zu eruieren.
– Jetzt folgt die gemeinsame öffentliche Aktivität zur Gewinnung von Unterstützung (Geld, Mitarbeit, Training).

Das Fazit der Teilnehmer war:

– nicht reformieren, sondern transformieren!
– mehr zuhören als selber sprechen!
– sich der eigenen Ressourcen, aber auch deren der ganzen Gruppe bewusst werden¨
– es gibt keine schwierigen Partner oder gar Feinde der ganzen Gruppe, sondern „ISSUES“? (starke Aktionsfelder)!

Schliesslich wurden wir gefragt nach pers. Erfahrungen mit Kampagnen: Gäbe es Gebiete, die man anders hätte angehen können?
Welche Bausteine zur Organisationsbildung wünscht sich jeder Teilnehmer für das nächste Treffen?
Welches Thema hat der Gruppenleiter übersehen?

Die Schlusszermonie am letzten Tag mit Reden, Theater, Musik und pers. Gedichten war grossartig.  Mir persönlich bleibt ein Liedvers einer Afrikanerin haften: Kraft, Mut und Weisheit sind in mir drin!

Es folgte der zusätzliche Tag der IALRW (international association of liberal religious women). Die Präsdentin, Frau Kamar I. Kamaruzaman, aus Malaysia, konnte aus (polit.) Gründen nicht in die USA reisen, deshalb wurde kurzfristig eine SKYPE-Konferenz durchgeführt. Die ehemalige Präsidentin, Frau Kathy Matsui aus Japan, leitete den Tag, obwohl sie gleichzeitig Vorstand des japanischen IARF- chapters ist. Es wurden verschiedene Projekte vorgestellt, die am laufen sind (z.B. ein Alphabetisierungsprojekt für Frauen und ihre Kinder in Ladakh), aber auch neue, die dieses oder nächstes Jahr gestartet werden (z.B. ein Kunstprojekt für religiöse Toleranz einer Solothurner Kunstsschaffender).

Gedanken zu Pfarrer Ernst Sieber von Jean-Claude Cantieni, Chur

Wieverhalten sich randständig und anständig zueinander? Anständig in randständig und umgekehrt randständig in anständig? Das Lebenswerk Pfr. Siebers scheint mir zu sein, eine diesbezügliche Kontroverse zu überbrücken …

‚Macht weiter, ich habs heiter’

steht auf dem Grabmale Pfr. Dr. h.c. Ernst Siebers, welcher diesen Mai mit 91 Jahren verschied. Sein Lebenswerk, 16 Stationen für zuerst Obdachlose, dann Süchtige und nun Arbeitsemigranten folgen ihm im Tode nach Offenbarung 14,13 nach. Ja, selig sind die Toten, die im Herrn sterben, denn ihre Werke folgen ihnen nach.- Johannes Brahms hat den Text in seinem ‚Requiem’ vertont, welches zur offiziösen  tröstlichen Hymne liberalen Christentums ward.

Verwehrt blieb dem Verstorbnen, was er als Nationalrat  mittels Postulat, dafür er soweit erinnerlich 150 Mitunterzeichner gewann, sein Bundesdorf, für das er sich vorstellte, dass es von einem Schweizergeiste geprägt sei, der Einheit vor Verschiedenheit zwischen arm, reich, gesund, krank … setze. Er sprach insoweit an, was heute in einem Zeitalter zunehmenden Vereinsamens  aktuell geblieben ist.  Zch. hat mehr Single-Logis denn Familien-domizile.

Die Klientel Ernst Siebers galt bis anhin als Fall von Landstreicherei, war ein Delikt, welches die Polizei mobilisierte. Sieber setzte an ihre Stelle den Diakon, eine Art soziale Revolution. Revolutionär war das Umfeld damals. Als Student , Sonntagabend in Zch. angekommen,  rieb ich mir die Augen. Globuskravalle . Sie hatten mit dem Globus in Chur, meiner Herkunft, nichts zu tun. Auf Zürichs Strassen  prügelten sich Polizisten und Studenten, welche sich mit der Arbeiterschaft zusammenschlossen, um die  so genannte herrschende Ordnung zu stürzen, die sie als repressiv, diktatorisch empfanden, ein Protestmarsch durchwogte die Stadt, marschierte auf ein Polizeiaufgebot mit beschilderten, behelmten Uniformierten zu, die Gemüter erhitzen sich, bis der Pfarrer  Ernst, begleitet durch einen Esel (aus dem Garten bei Pfarrhause in Altstetten) sich mitten auf einer Brücke positionierte. Das Symbol des geduldigen – und zugleich störrischen – Esels wirkte. Die Protestierenden zogen in die nahe Stauffacher-kirche, wo der Dialog zwischen Strasse und Obrigkeit um konfliktfreie Auswege begann. Graue Theorie war out , Orthopraxie’ als Diakonie statt Kravall war – bei Pfarrer Ernst – angesagt.

Er sammelte Obdachlose in Tramhäuschen mit seinem VW-Bus  – seit der Seegfrörni 1962, der damaligen Eiszeit, ein, verbrachte sie in einen Zivilschutzbunker aus der Kriegszeit am Helvetiaplatz. Das Kinderlied singt vom Es schneielet, beielet, Häsch d’händscha un rot im Sack, so gib’s me arme Chind … -Rund 100 Stufen führten an den tiefsten Punkt zwischen Himmel und Erde hinunter. Die Hells Engels, damalige Gang in der Art Leonard Bernsteins ‚Westside Story’ ,hatten einen Zwischenboden zwischen Eingang und ‚Untergang’  für sich – und ihre Schiessübungen beansprucht, Zeit des Rockerkrieges;

Aus einer Zeugeneinvernahame

‚Nenad G. tritt ebenfalls als Zeuge auf. Er spielt den inkriminierten Vorfall herunter, um zu demonstrieren, dass ihm ein paar Schläge nichts anhaben könnten. Er prahlt von seiner Vergangenheit als Hooligan «Das waren richtige Schlägereien», sagt er. Das Bild von einem Freund, wie er ein Auge durch einen Steinschlag verliere, habe er noch heute im Kopf, doch er habe da die Angst verloren. Gewalt beruht auf Angst. ‚Macht ist Ohnmacht’, urteilte der Pfarrer.

Die vor dem Gericht parkierte Harley von Marc S. sieht der Staatsanwalt als Botschaft an die Justiz: «Ihr mögt die Herren da drin sein, aber wir sind es draussen.» Eine Antwort gibt der Staat schon während der Verhandlung. Die Harleys vor dem Gericht werden umparkiert; Machctdemonstration.

Der Bunker war Provisorium, zu gefährlich, wenn Betrunkene die Treppe hinter kollerten … Er sollte zu keiner Krypta werden, wo Tote verewigt werden. Felix und Regula sind in der Nähe  in einer Krypa enthauptetet worden (Wasserkirche), ruhn im Grossmünster.

16 ‚Aussenstationen’ so als alternative im Laufe der (Lebens-) Zeit mit Pfr. Ernst. Sie gingen auf Süchtige zu. In Johannes vier spendet Jesus lebendiges Wasser einer ‚Barbarin’ Samarierin, um ihren metaphysischen Durst zugleich zu stillen. Für Ernst waren die Obdachlosen Süchtigen metaphysisch obdachlos, davon ihr Durst, Sehn-Schucht rührt. ‚Die Mitte der Liebe ist auch am Rande der Gesellschaft. Knapper als Ernst kann das niemand  – in eine Bibel – schreibe, zugleich schalkhaft reimend anschliessen: ‚Lies die Bibel, immer wieder, sagt Pfarrer Sieber ….

16 Stationen: Woher rührt die Energie, mit Elend ein Leben lang konfrontiert zu sein, das seuchenhafte Züge, ‚Kollateralschäden bewirkt wie Aids, Kriminalität … trägt. Die Familie bot Halt, auch schon die räumliche Distanz zwischen dem Bunker und dem Pfarrhause im damals noch dörflicheren Altstetten. Nähe und Distanz bedingen sich. Der Rest ist Konstitution. Ernst Sieber wuchs in Horgen auf. Seine Mutter tischte mehr Teller als Familienmitglieder dasassen. Die Weltwirtschaftskrise, die 1929 ausbrach, führt zu Konkursen, Arbeitslosigkeit, Brotlosigkeit auch in der Agglomeration um Zürich.  Ernst besuchte dann den landwirtschaftlichen Schulhof Strickhof in Zürich, worauf er sich entschloss, die Matura nachzuholen, besuchte ein Privatgymnasium. Am Morgen, als er als Maturant antrat, gab sein Vater ihm einen neuen Mantel, den sein Träger einem durchfrornen Passanten unterwegs schenkte. Das Theologiestudium folgte, dann der Pfarrberuf. ‚Der gute Hirte’ scheint vorbereitet, als den wir im Bilde ihn erinnern; Schlapphut Halstuch, Überwurf als Mantel . Als Gründer so mancher ‚Dörfli’ lebte er in letzter Zeit Hochybrig in einer Hütte, von Schafen umgeben, die er auch malte;

Von dieser Idylle glaubte Ernst, sie habe ihre Chance auch im Jenseits, darum ‚Ich habs’ heiter’ Das Bild erinnert an die alte Mär von einem griechischen Arkadien der Hirten .., doch eigentlich heisst der Satz: Et ego (sum) in Arkadia ; selbst in diesem gefühlsseligen Arkadien lauert der Tod, welcher den Seelsorger in seinem Arkadien nun heimholte.

Was fehlt, seit Pfarrer Ernst fehlt? Die Antwort muss subjektiv erfolgen. Die Stimme der Barmherzigkeit, welche die Mitte zwischen beschämender Billigkeit und verurteilender Gerechtigkeit hält, fehlt für den Autor.Sie ist die tragende Stimme der Parabel vom barmherzigen Vater, der den verlorenen Sohn mit offenen Armen erwartet. Diese Botschaft ist gerade in einer Zeit, die von gnadenlosen Leistungsimperativen immer mehr bestimmt wird, welche Schwächere wegblendet, von bleibender Aktualität. «Der Name Gottes ist Barmherzigkeit» schreibt Papst Franziskus in einem Buche, das in 28 Sprachen erschienen ist.

Der Ton ist neu.

In seinem «Gottesstaat» polemisierte der Kirchenvater Augustin noch ganz offen gegen die «Mitleidigen», die allzu Barmherzigen. Ihr Mitleid sei bloss ein «menschliches Gefühl’. Die ewige Strafe für die Masse der Menschen sei Ausdruck der Gerechtigkeit, die Errettung weniger Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes. Augustinus schrieb damit Geschichte, die im 16. Jahrhundert bei Luther und Calvin einen starken Nachhall gefunden hat.

Erreichte der Begriff Barmherzigkeit die ‚Eingbunkerten’, säkularem Zeitgenossen überhaupt? Die reformierte Kirche hat in der Formel  ‚Etsi Deus daretur ‚zu verstehen gegeben, dass wir, oszillierend zwischen Glaub-und Fragwürdigkeit umzugehn haben. Tun wir also doch ‚als ob’, fingieren wir, was, solange die Fiktion als solche bewusst bleibt, legitim ist, indem wir so – um an die Bunkerleute zu denken – tiefe  Wunden gar einzuklagen haben, statt sie zu verdrängen zu haben, weil wir sie Gott nicht zu klagen haben.

«Christus hat nicht für die Sünden der Menschen gelitten, sondern gleichsam die Schuld Gottes abgetragen. Schliesslich hat Gott mit den Menschen die abgründige Freiheit zum Bösen hin in Seinen Willen mit eingenommen, wurde schon moniert.

Der Obdachlose hat heute ein ‚Menschenrecht’ auf ein Dach über sich –über das des Himmels über Zürich hinaus, davon Zarli Carieget sang, Ernst Sieber mitsang. Menschen leben in Häusern. Sie bauen. Ich bin und ich baue ist unter Sprachwissenschaftlern verwandt. Ernst Sieber wusste auf dieses Bedürfnis nach einem Heim. War eer Symbolist, so doch zugleich Realist, konfrontiert mit soviel schmerzlichem Scheitern in der Realität. Der römische Dichter Horaz hätte von einem ‚biformis vates’ von einem zweigestaltigen Seher gesprochen (Ode II XX), heruntergebrochen auf je ein Leben im ersten , diesseitigen und jenseitigen Jerusalem (‚Jerusalem’ steht in der Mehrzahl.) Er erlebte die Schmach an sich selbst, dass ein ‚Besuch der alten Dame’ ihn (incognito) aus seinem Werke für eine Million Schweizerfranken drängte, als die Übersicht über Investitionen in seinen ‚Werken’ einst verloren ging. Ist ein Lebenswerk,  Leben mit Geld aufzuwiegen? Das ist die Frage, die bleibt, nachdem Pfarrer Ernst Sieber fehlt, und doch laautet die Frage, die Ernst Sieber uns stellt: Ws gilts zu tun?

Der Verstorbne sorgte für Entwurzelte. Pflanzen wir (Frucht-)Bäume zu seinem und seines Werk Gedenken.  Der Baum symbolisiert die Wurzel der Welt, die Natur, der Baum stellte die Grundlage unserer Existenz dar und her;

Dank der Pflanze, des Baums  wurde die Erde zum metaphysischen Raume des Atems dank den ersten zur Fotosynthese fähigen Organismen, die Cyanobkterien; Das (Baum-) Blatt ist dem Stamme und der Wurzel letztlich vorgeordnet, denn es trägt zu seiner Existenz bei. Vögeln in den Ästen gleich wenden sich Blätter dem Himmel zu, zelebrieren ihre Leidenschaft für ein Leben in der Luft.

Rätselhafte Wurzeln (unterirdisch, geheimnisvoll …) mögen wichtige Funktionen wie das Gehirn des Menschen haben, und sie helfen der Sonne ins Erdreich vorzudringen, es zu erhellen, sie über sich selbst aufzuklären. Die alten Griechen erfanden den Mythos der Persephone, die hälftig auf der Welt, hälftig in der Unterwelt lebte Der Baum ist eine ‚Maschine’, welche die Erde an den Himmel bindet. Er transformiert, re-formiert Licht.

Der Bau (welcher für die Pflanze, Natur steht) ist ein Alleskönner, offen, geduldig, standfest, grenzenlos. Er wirkt ohne zu handeln, automatisch als die radikalste Form des Inderweltseins. Sein blosses ‚Sein’ reicht, um alles mit allem zu verbinden.

Was ist, wenn ein Baum, entwurzelt, stirbt? Re-Inkarnation tritt dann ein. Leben manifestiert sich in verschiedener Weise, verschiedenen Körpern, die sich austauschen. Alles ist in allem gegeben. Essen wir einen Apfel vom Baume, reinkarniert sich der Apfel im Menschen und der Mensch im Apfel. Der Tod, welcher im Märchen auf den Apfelbaum (des Paradieses) bezogen ist, ist – so ist zu vermuten – strikt eine Idee.

Der Baum und mit ihm die Natur ist die einzige Instanz, in deren Namen wir für die Menschheit zu entscheiden haben, ohne an ein bestimmtes Volk, eine Nation, Konfession voreingenommen zu denken (frei nach Emanuele Coccia, die Wurzeln der Welt, München 2018) So liberal dachte fast strikt der Verstorbne.

Wohin mögen die Bäume gsetz sein? Ich Zürich? Auch andere Städte haben Einwurzelte., Chur in seinem inzwischen sanierten Stadtpark, dem ehemaligen Scalettafriedhof, wo der Churer Reformator Comander beigesetzt worden sein mag. Eine ‚Familie’ von Randständigen ist dem park erhalten geblieben. Die Sozialarbeiterin Romina Beeli hörte die ‚Familienmitglieder’ an, zeichnete das Gehörte  in ihrem Büchlein’ Die Familie vom Stadtpark’, Chur, 2015, auf. Die Sehnsucht Entwurzelter nach einem Heim, einer Stätte des Austauschs, freien formen des sich Gesellens drückt sich darin aus. Ist der Sclaettfriedhof, Stadtpark ein präfigurierter Pflanzplatz?

Last not least: Pfarrer Ernst hatte in Chur ebenfalls eine ‚Station’, wirkte einst im nahen Passugg und dann in der Surselva.

ScanBibelwidmung von Pfr. Ernst Sieber