Wir danken Andreas Zeller, Pfr. Dr. theol., Präsident des Synodalrates Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn ganz herzlich , dass wir seine Würdigung von Max Balsiger an der Abdankungsfeier in der Kapelle des Burgerspitals Bern aufschalten dürfen.
M.U. Balsiger 1924 – 2017
Eine Würdigung aus liberaler SichtWir haben in unserer Kirche rund 1200 Pfarrerinnen und Pfarrer, davon rund 500 aktive. Unter dieser grossen Zahl war Max Balsiger DAS liberale Urgestein.
Er absolvierte sein Studium in den 1940er Jahren, als an der theologischen Fakultät sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen Barth-Anhängern, Unabhängigen und Liberalen herrschten. M.U. Balsiger war entschieden auf der Linie von Martin Werner, damals Professor für Dogmengeschichte in Bern und Albert Schweitzer. Max war lebenslang dieser Richtung verpflichtet und zwar mit leidenschaftlichem Engagement.
Während Jahrzehnten war er Mitglied und Vorstand im Reform-Pfarrverein RPV, in welchem sich die liberalen Pfarrer zusammenfanden. Einmal im Monat wurden an einem Montagvormittag im „Adler“ in Bern Themen behandelt wie z.B. 1984 die Sterbehilfeorganisation „Exit“ 1984 mit Pfr. R. Sigg, eben 100-jährig geworden, dem Gründer und ersten Geschäftsführer von Exit. Sigg war auch Mitglied des RPV. Max schrieb jedes Mal, wenn ein RPV-Mitglieder verstorben war, einen Nekrolog und stellte ihn den übrigen Mitgliedern zu.
Er war auch langjähriges Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Pfarrer ASP, eine Art Vereinigung der Elite der Liberalen.
Jahrzehntelang engagierte er sich auch im Kantonalen und Schweizerischen Verein für freies Christentum, bis vor einigen Jahren auch als Präsident. Er war viele Jahre Mit-Herausgeber des „Schweiz. Ref. Volksblatts“, eine liberale Kirchenzeitung, sechsmal jährlich, welche von 1866 – Januar 2004 erschien.
M.U. Balsiger verfasste während langer Jahre sehr geschätzte Beiträge im Wort zum Sonntag im Berner Bund am Samstag. Jahrzehntelang schrieb er in der gleichen Zeitung Rezensionen von theologischen Büchern. Als diese Rubriken sang- und klanglos verschwanden und sein Leibblatt mehrmals die ideologisch-politische Ausrichtung änderte, tat sich der Verstorbene sehr schwer mit diesem Kurswechseln.
Er war lange Jahre als Mitglied der liberalen Fraktion in der Synode und später deutschsprachiger Sekretär der Synode der reformierten Landeskirche Bern-Jura-Solothurn. Bis vor einigen Jahren besuchte er die Synode regelmässig.
Eine grosse Ehre bedeutet ihm die Erstellung des Jahrzehntberichts 1981 – 1990, den er im Auftrage des Synodalrats unter dem Titel „Kirche von unten“ verfasste. Das Verfassen dieses Buches, welches noch heute lesenswert ist, war für ihn eine Wertschätzung seiner riesigen Arbeit für die Kirche. Der Autor liess damals in den Kirchgemeinden viele Daten erheben und Statistiken erstellen, welche teilweise heute noch nützlich sind.
Zweimal jährlich berief er im Bürenpark, dem früheren Sitz unserer Landeskirche den sog. „liberalen Generalstab“ ein: Alle liberalen Organisationen in unserer Kirche, die noch bestanden, waren eingeladen. M.U. Balsiger machte vertiefte Analysen der allgemeinen und der speziellen Lage. Seine Lieblingsthemen waren die Kritik an Zentralismus, das Wachstum der gesamtkirchlichen Dienste sowie der einseitige Linkskurs der Kirche. Er sass auf meinem Stuhl, ich als Präsident des Synodalrats hörte mir die Standpauke schmunzelnd an.
Mein Mentor
Unsere Bekanntschaft reicht ins Jahr 1981 zurück. Ich hielt damals im April als junger Vikar meine erste Trauung und zwar in der Kirche Köniz. Er besuchte diese Feier als Mitglied der damaligen Lernvikariatsgruppe, weil er „hören und schauen wollte, wie die Vikare heute eine Trauung vollziehen“. Seither waren wir miteinander im Kontakt – offenbar hatte ich nicht ganz alles falsch gemacht.Als junger Flamatter Pfarrer schloss ich mich als Mitglied dem Reformpfarrverein an und lernte viel, besonders auch von Max. Als der Berner Sitz im Stiftungsrat des ref. Erholungsheims Gabbiolo in Brissago, einer liberalen Einrichtung, frei wurde, schlug er mich als Stiftungsrat vor. So wirkte ich dort von 1983- 1989 als Stiftungsrat und von 1990 – 2005 als Präsident.
1987 installierte mich Max Balsiger in Münsingen auf jene Pfarrstelle, auf die er 25 Jahre vorher wegen seiner liberalen Haltung nicht gewählt worden war. Damals 1962 wurde in einer ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung mit über 500 Teilnehmenden ein positiver Kandidat dem liberalen Kandidaten Max Balsiger vorgezogen. Ich kannte diese Vorgeschichte nicht, als ich ihn fragte. Seine Zusage kostete ihn Überwindung, war aber auch eine späte Genugtuung.
Er war es auch, der mich 1998 der liberalen Fraktion als Kandidaten für den Synodalrat vorschlug – als jemanden, der vorher nicht in der Synode gewesen war und die Kirchenpolitik nicht kannte.
Wir blieben verbunden auch nach meiner Wahl in den Synodalrat und später ins Präsidium. Ich besuchte ihn wiederholt an seinem Wohnort in Meikirch. Den letzten Kontakt hatten wir am Pensionierten-Treffen im Januar 2016.
Unsere Kirche und die liberale Theologie haben einen grossen Kämpfer und einen treuen Freund und Förderer verloren! Danke, lieber Max, für Deinen Einsatz!
Andreas Zeller, Pfr. Dr. theol.
Präsident des Synodalrates
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn
Lieber Andreas, danke noch einmal, dass du deinen handschriftlich verfassten Text für das Blog aufgearbeitet hast, das Max Balsiger vor Jahren als digitale Nachfolger des SRV – Schweizerisches Reformiertes Volksblatt bezeichnete.
Danken möchten wir auch David Kuratle, Pfarrer in Meikirch, der die Predigt in der Kapelle des Burgerspittels Bern, hielt. Diese Predigt beinhaltet einen umfassenden Lebenslauf von Max Ulrich Balsiger.