Kategorie-Archiv: 02 Kappeler Milchsuppe

Wahr, Wahr-Heit, Ge-Wahr-Sam – fast «Sam and the War»


«Sie sind doch der, welcher Couchepin den Flugzeugpirat vorgestellt hat.» Ja, ich werde oft darauf angesprochen. Den Leuten ist die überaus freundliche Begrüssung und das Lachen der beiden aufgefallen. Zusammen leben! Vielleicht organisieren wir mal die dritte Kappeler Milchsuppe. Aber zuerst werden wir noch eine für die Schweiz äusserst wichtige kriegerische Tätigkeit unter die Lupe nehmen – aus dem Jahre 1871 – unserem Gründungsjahr.

Zum «Deutsch-Französischer Krieg» und eine der ersten grossen Arbeiten für das Rote Kreuz kommen wir demnächst zu sprechen. Mehr werden sie unter dem Stichwort Bourbaki finden.

Notiert mal den 29. November 2008 in der Agenda – Ausflug nach Luzern ist auf dem Programm. «Keine Ahnung» was wir dort anschauen könnten. (Anm.: der 15.11. musste auf den 29.11. verschoben werden).

Wir werden der Wahrheit ins Auge schauen müssen, die Narrenfreiheit konkretisieren. Nun aber was unser Präsident über Einwanderung und Ausschaffung zu berichten weiss:

von Jean-Claude Cantieni, Chur

Die Kritik von Stephan teile ich gerne; Dreizehn Jahre in der Schweiz sind genug, um nicht an die Grenze gestellt zu werden. Das Problem ist glaublich, dass die Schweiz noch immer kein eigentliches Integrationsmodell kennt, welches die Tatsache der im Gange befindlichen Völkerwanderung bzw. -einwanderung in seiner Tragweite wahrzunehmen hat. In solcher Wahrnehmensverweigerung erklärt sich das Ansinnen der Sikh-Ausweisung.Démarge.

In Wahrnehmen des Problems ist ein in die Wahr, in Gewahrsam nehmen, sorgen, juristische gesehen, ins Recht setzen, ja Gnade ins Recht setzen statt ausstossen, enthalten, und deshalb weigern wir uns, die Immigration zur Gänze wahrzunehmen, auch wenn wir damit die Wahr-Heit des Problems strapazieren. Wir tun so, als ob wir uns in einem Ausnahmezustande befänden, um Ausnahmereglierungen durch eine Polizei, die Gesetze schafft, statt sie durchzusetzen, im Verhältnisse zum Menschenrecht zu sanktionieren. Das (Polizei-) Recht zumal hat regelmässig ein Interesse daran sich selber zu setzen und zu erhalten. Es beansprucht von seiner Natur her ein Monopol, doch setzt es sich, um sich selber – vor dem Andern, Fremden, dem fremden Recht, zu beschützen. Wir haben mit anderen Worten dazu zu kommen, die Tatsache, dass die Schweiz ein Einwanderungsland ist, als emergentes Phänomen zu behandeln, dessen (innere) Ordnung Regeln schafft, und nicht umgekehrt, wird dessen Ordnung durch Regeln erreicht.

Das gilt auch für die Natur(-wissenschaft). Aus Emergenz entstehen die Viehtrieb-‚Treieli’ auf den Alpweiden. Sie sind einfach einmal da. Natur holt uns immer wieder ein: ‚Naturam furca expellas, tamen usque recurret’ (Horaz, ep.I, 10 24). Emergenz (lat. emergere: auftauchen, hervorkommen, sich zeigen) ist die spontane Herausbildung von Phänomenen oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems auf der Grundlage des Zusammenspiels seiner Elemente. Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht offensichtlich auf Eigenschaften der Einwanderer-Elemente zurückführen, die diese isoliert, astrahiert von den Mentalitäten des Aufnahmelandes aufweisen. Bspw. eine halbe Million ‚Jugos’ leben in der Schweiz, Jugoslawien war Gastland am Comptoir Suisse in den 60-er Jahren: Courant normal, statt Ausnahmefall, einst, als die Gastarbeiter anzuheuern waren, um an der Schweiz von heute zu bauen. (Wenn auch manche zu Recht dafürhalten, dass zu viel gebaut wird, die Hypothekenkrise in den USA uns deshalb ebenfalls erreichen wird.)

Nationaler Zusammenhalt, so nennt es Guido Pelli. Das sind aber Meldungen, die fast untergehen. Ein anderer Einwanderer erregt heute die Geister und die Gemüter – Meister Petz mit der Aktennummer JJ3. Bei unserer Veranstaltung über Menschenrechte und Menschenpflichten hat er sich damals in Bivio nicht gezeigt – aber er war nicht weit weg. Wenn sie schon einmal wie ich mitten in der Nacht einen Grissly-Bären an der Nachbartüre haben kratzen hören, dann begreifen sie auch, dass diese Tiere nicht ganz ungefährlich sind. Essensvorräte und Abfall waren räumlich strickt getrennt vom Schlafbereich. Wir waren damals die ersten, die nach der Winterpause diese Hütte bewohnten. Die nigelnagelneue Türe sah am Morgen stark lädiert aus. Einige Einwanderer kann man eben zähmen und die anderen nicht.

Und wie dieses Beispiel eindrücklich beweist, versteht unter «Bär» jeder etwas anderes. Nur zu hoffen, dass wir niemandem einen Bärendienst erweisen

Vor einem Jahr erschienen: Tagung Religionsfreiheit

Vor zwei Jahren erschienen: Zentrum Religion, Wirtschaft und Politik

Text und Foto: Stephan MartiFinanzblog

27. Dezember: «Adventskalender mit 27 Fenstern»


Mit echten 27 Fenstern ist der Adventskalender von swissblogpress abgeschlossen – wir danken allen, die mitgeholfen und mitgelesen haben. Beim Thema «moderne Kommunikation» und bei «erneuerbare Energie und Energieeffizienz» werden neue Erkenntnisse kommen, aber ich denke, ich weiss wohin der politische Trend gehen dürfte. Es geht um sehr viel Geld, aber einige Probleme sind immer noch nicht gelöst …

… so ist nicht klar, ab sie die Nussschalen, die der Weihnachtsmann gebracht hat, im Cheminée verbrennen dürfen, weil diese keine drei Jahre trocken gelagert wurden. Und Energiesparlampen können wir immer noch keine kaufen, wenn es um die Backofenbeleuchtung oder die Kühlschrankbeleuchtung geht. Osram Schweiz sucht seit drei Monaten den Fehler und den Staatsmann Leuenberger konnten wir für ein Interview gewinnen. Im gleichen Beitrag kommt Muslim Yahya aus Pakistan zu Wort – ein Erzähler besonderer Gnade. Am 22. Dezember sind in der Bernerzeitung zwei Artikel erschienen, die wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion wieder geben dürfen. Der zweite, Pfarrer Kurt Marti – «Ich weiss nicht, was Gott vorhat» – stammt namensmässig nicht nur vom Kriegsgott Mars sondern auch vom Gott der Vegetation und des Frühlings ab. Ein echt erspriessender Beitrag. Der Name ist nur zufälliger weise gleich und das Personalblog stellt gleich noch eine Analyse meines Vornamens ins Netz. Ich wünsche Euch eine besinnliche Nachweihnachtszeit.

«Mein Glück im Land am Abgrund»

Der Schweizer Muslim Yahya Hassan Bajwa verbringt Weihnachten in seinem Heimatland Pakistan. Er erfährt zwischen der verschonten Schweiz und dem fragilen Leben im asiatischen Staat eine besondere Magie.

«Wer ich bin, wollen Sie wissen? Gute Frage! Ich bin seit 7000 Jahren Inder, seit 60 Jahren Pakistaner, seit 23 Jahren Schweizer. So verwandelt die kulturelle und historische Entwicklung unsere Wurzeln. Ich bin vor 47 Jahren auf indischem Boden zur Welt gekommen, der allerdings seit 1947, als Britisch-Indien zur Republik Pakistan wurde, pakistanisch ist. Als ich zweijährig war, kam ich mit meinen Eltern in die Schweiz. Seit 1984 bin ich auch Schweizer Staatsbürger.

Mein Vater war der erste Imam der ersten Moschee in der Schweiz. Die Ahmadiyya-Moschee in Zürich wurde das Heim meiner Kindheit. Ich erlebte einen Islam ohne Berührungsängste und Abgrenzung. In der Moschee meines Vaters sah ich Christen beten, und manchmal sass einer im Schneidersitz auf dem Boden. Später, als ich mehr über Religionen wusste, wurde mir klar, dass das Buddhisten waren, die in der Moschee meditierten. Sie war ein offenes Haus der Religionen.

Von Illusion zu Vision

Ich war 14 und studierte am internationalen Institut Montana auf dem Zugerberg, als ich auf einem Papier festhielt, was ich werden wollte: Ich will mich für die ärmsten Menschen dieser Welt einsetzen, schrieb ich voller jugendlicher Illusionen auf das Blatt. Aber der Satz wurde zur Vision für mein Leben. Heute tue ich genau das. 2001 gründete ich den Verein «LivingEducation», und seither baue ich mit eigenem und dem Geld von Spenden in Pakistan verschiedene Hilfsprojekte auf – ein Mädchen- und Knabeninternat, Kindergärten, Computerschulen, Frauen-Beratungsstellen, Gesundheitsprojekte.

Mein Leben besteht aus Pendeln zwischen der verschonten Welt in der Schweiz, wo ich als Dozent und Dolmetscher arbeite, und der fragilen Realität von Pakistan, das seit 30 Jahren von Diktatur und islamischem Fundamentalismus geprägt ist. Ich verbringe je etwa die Hälfte des Jahres in der Schweiz und in Pakistan. Im Moment befinde ich mich in der kleinen Vorstadt Bhara Khau etwa 30 Minuten von Islamabad entfernt.

Weihnachten verbringe ich in Pakistan. In meinem Dorf Paran, in der Nähe von Faisalabad, wo ich Bürgermeister bin, leben auch christliche Familien, die natürlich Weihnachten zelebrieren – genau wie die anderen christlichen Feiertage sowie die Sonntagsgottesdienste. Mit den Freiwilligen aus der Schweiz, die in meinen Projekten arbeiten, besuche ich meistens die Kirche, und immer kommt die christliche Gemeinde dann spontan zusammen. Man liest auf Urdu einen Psalm aus der Bibel oder spricht gemeinsam ein Gebet. Die Pakistani staunen aber oft, wie wenig die Besucher aus der Schweiz über das Christentum wissen.

Ausnahmezustand?

Selbstverständlich werde ich in Pakistan auch die Wahlen genau beobachten, die am 8.Januar stattfinden. In der Schweiz wird Pakistan als Land im latenten Ausnahmezustand wahrgenommen, als Land auch, in dem man als Westler und Christ an Leib und Leben gefährdet ist. Ich muss sagen: Ich war im November in Pakistan, als Staatspräsident Pervez Musharraf den Ausnahmezustand verhängt hatte. Davon erfahren habe ich in unserem Dorf allerdings nur, weil ich im Internet Zeitung las.

Ausserhalb der grossen Städte ist im Alltag von den weltpolitischen Spannungen, die der Atomstaat Pakistan, im Würgegriff der Islamisten, verursacht, nichts zu spüren. Die Schwierigkeiten des Alltags haben mit Bush und Bin Laden wenig zu tun. Schon eher mit der schwankenden Elektrizitätsversorgung: Ich habe auch in Pakistan Internetanschluss und kann mit der Aussenwelt kommunizieren und Geschäfte abwickeln. Wenn nicht gerade für ein paar Stunden der Strom ausfällt.

Weil ich Urdu und Hindi spreche, bewege ich mich in ganz Pakistan sehr frei. Ich war auch schon in der nordöstlichen Gegend von Waziristan unterwegs, an der Grenze zu Afghanistan, eine No-go-Area, weil dort die Kämpfer der Taliban und von Al-Kaida das Sagen haben. Gut, ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, aber ich musste hin, weil Christen, die dort leben, meinen Rat brauchten. Passiert ist mir gar nichts. Man muss einfach sehen: Die existenzielle Sicherheit ist in einem Land wie Pakistan auf viel tieferem Niveau garantiert. Man könnte es, sehr salopp, so formulieren: In der Schweiz debattiert man über die Sterbehilfe, in Pakistan über die Überlebensstrategie. So gesehen kann man, im Vergleich zum Leben in der Schweiz, den Alltag in Pakistan durchaus als permanenten Ausnahmezustand empfinden.

Die Macht der Islamisten

Natürlich sind die islamischen Schulen auf dem Land und in den Städten sehr präsent – aber nicht ausschliesslich als die politischen Dämonen, als die man sie im Westen sieht. Sie sind oft die Einzigen, die etwas für die Bevölkerung tun, den Leuten so etwas wie Bildung verschaffen. Das öffentliche Schulsystem ist praktisch unbrauchbar, Religionsschulen sind für die meisten Jugendlichen der einzige Zugang zur Bildung. Fast die Hälfte der Pakistaner kann weder lesen noch schreiben, bei den Frauen sind es fast 70 Prozent.

Die Leute verstehen nicht, was im Koran steht, sie sind darauf angewiesen, dass ihnen der lokale Imam das erzählt. Und oft sind auch die religiösen Führer in Landgemeinden der arabischen Sprache nur knapp mächtig und auf Ranghöhere angewiesen. So ist dem Religionsmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Macht der Islamisten fusst nicht auf USA-Hass, sondern auf fehlender Bildung.

Für ein Land, in dem Islamisten immer mehr das Sagen haben, ist der leichte und deshalb verpönte amerikanische Lebensstil aber in den Städten erstaunlich präsent. In Lahore gibt es inzwischen neun Mc-Donald’s-Filialen, original Levis-Jeans-Shops und ein Geschäft, das Porsche-Wagen anbietet. Die Preise in diesen Läden sind aber so hoch wie in der Schweiz, die begehrten ausländischen Markenprodukte nur für die absoluten Eliten erschwinglich.

Da dringt die Heuchelei an die Oberfläche, die vieles im öffentlichen Leben von Pakistan prägt und lähmt: Religiöse Führer beschwören die strenge Einhaltung muslimischer Religiosität, schicken aber die eigenen Kinder auf amerikanische Eliteschulen, die Kinder der Armen hingegen in den Heiligen Krieg. Die religiösen und säkularen Eliten wollen nicht auslöffeln, was sie in ihrem Land anrichten.

Wahlen als Farce

So gesehen betrachte ich auch die Wahlen, die in den nächsten Wochen im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen, weit gehend als Farce. Benazir Bhutto, Nawaz Sharif und Pervez Musharraf sind die drei wichtigsten Figuren, die zur Auswahl stehen, und alle stehen unter Korruptionsverdacht. Abgesehen davon ist klar, dass nur pakistanischer Präsident werden kann, wer den Segen von Washington hat.

Nach dem Sturz von Zulfikar Ali Bhutto 1977 baute Zia ul Haq Pakistan zum islamistischen Staat um – mit dem Plazet der USA. Sie sahen in den Fundamentalisten ein Bollwerk gegen den Kommunismus auf dem indischen Subkontinent. Heute führen die USA gegen die Kräfte, die sie damals entfesselt haben, den Krieg gegen den Terror. In dieser Mangel der Weltpolitik wird seit 30 Jahren die Zukunft der Pakistanerinnen Pakistaner zerrieben.

Realitäten im Atomstaat

Nun, wenn ich genauer hinschaue, sehe ich schon, dass sich Dinge bewegen. Indien und Pakistan sind ja Nachbarn, die grimmig Atomwaffen aufeinander gerichtet haben. Aber im Innern, im Punjab etwa, der durch die Landesgrenze geteilt wird, läuft im Alltag ein reger Grenzverkehr. Das indische Wirtschaftswunder, das weltweit gefeiert wird, entgeht den Pakistani nicht. In kleinen Schritten wächst ein Bewusstsein heran bei den Menschen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Und nicht dem nächstbesten Mullah zu überlassen.

Vielleicht tragen auch unsere Projekte einen Mosaikstein dazu bei. Natürlich stiess ich in meinem Dorf Paran auf grosse Skepsis, als wir ein Internat für Mädchen einrichteten, wo sie einen höheren Schulabschluss machen können und von Freiwilligen aus der Schweiz unterrichtet werden. Ein mehrfaches Sakrileg für gläubige Muslime! Aber wir hielten durch, zeigten, dass auch die Männer davon profitieren, wenn die Frauen gebildeter und glücklicher sind – und Gott im Himmel nichts dagegen einzuwenden hat. Inzwischen wird unsere Arbeit weitherum in Pakistan anerkannt, und wir bauen beispielsweise in mehreren Landesteilen Kindergärten und Gesundheitsprojekte auf.

Waffenlieferant Schweiz

Ich bin stolz darauf, dass auf dem christlichen Gebetsraum in meinem Dorf Paran weit herum sichtbare Kreuze stehen. Die religiöse Toleranz ist so sichtbar und selbstverständlich. In der Debatte um die Minarette könnte sich die Schweiz ein pakistanisches Vorbild nehmen. Zweifellos hilft mir der solide Ruf der Schweiz in meinen Projekten. In Pakistan ist die Schweiz das Land des Friedens und der Neutralität, dem man vertrauen kann. Dass die Schweiz der pakistanischen Regierung Panzer liefert, ist dort wenig bekannt.

Ich sage Ihnen, wenn man in Pakistan lebt, klappt vieles nicht so, wie man das geplant hat. Und schon gar nicht so schnell, wie man will, und oft glaubt man, es gehe überhaupt nicht. Und dann gelingt doch Unmögliches. Das ist vielleicht die Magie des pakistanischen Alltags, und sie zeigt mir: Es gibt Sachen, die muss man einfach versuchen in seinem Leben.

Ich bin glücklich, das tun zu dürfen.»

Aufgezeichnet: Jürg Steiner Der Autor: Jürg Steiner (juerg.steiner at bernerzeitung.ch) ist «Zeitpunkt»-Redaktor.

Hier noch das pdf-File (gleiches Fenster) mit den Fotos – heute von der BernerZeitung erhlaten. Besten Dank

«LivingEducation»; Bahnhofstrasse 7, 5400 Baden. www.livingeducation.org. – PC 60-223344-6

«Ich weiss nicht, was Gott vorhat»

Der frühere Nydeggkirchen-Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti blickt zurück auf 86 Jahre Leben und voraus auf das, was ihm noch bleibt. Ein Gespräch über Weihnachten, die rasende Zeit, Blocher und AKWs, Junge und Alte, das Sterben und was danach folgt.

1. Weihnachten

Herr Marti, was fällt Ihnen zu Weihnachten ein?

Kurt Marti: Jemand hat mir erzählt, er habe im Internet Sprüche zu Weihnachten gesucht. Da sei ein Satz von mir erschienen: «Die wahre Weihnacht ist nicht die Ware Weihnacht». Ich weiss gar nicht mehr, wo und wann ich das geschrieben habe. Jetzt steht es einfach im Internet.

Freuen Sie sich auf Weihnachten?

Nicht besonders. Für mich als Christ ist Ostern viel wichtiger. Weihnachten ist ein relativ junges Fest in der Geschichte der Christenheit. Aber Ostern war von Anfang an das grosse Fest, an dem man die Auferstehung von Christus feiert.

Was sollten wir an Weihnachten feiern?

Gott wird Mensch an Weihnachten. Gott ist also nicht irgendwie abgehoben, sondern kümmert sich um sein Geschöpf Mensch. Ich habe den Inhalt von Weihnachten immer so verstanden: Der Mensch ist das gefährdetste und experimentellste Geschöpf Gottes. Dieses Experiment droht immer leicht schief herauszukommen. Deshalb ist Gott Mensch geworden. Das ist nicht einfach eine Auszeichnung, sondern eine Art Hilfsaktion von Gott, den Menschen und dadurch die Welt zu retten.

Hat der Mensch solche Hilfe derzeit besonders nötig?

Er hatte es offenbar schon vor 2000 Jahren nötig. Heute kommt verschärfend hinzu, dass der Mensch die erschreckende Fähigkeit hat, die Welt kaputt zu machen. Vielleicht hat der Mensch deshalb Beistand nötiger denn je, damit seine Erkenntnis wachse.

Sie sind skeptisch, ob diese Erkenntnis wächst?

Ich weiss es nicht. Ich bin nicht im Vorzimmer des lieben Gottes. Ich weiss nicht, was er vorhat.

Hat Gott nach christlicher Auffassung überhaupt etwas Bestimmtes vor?

Wenn man von der Bibel ausgeht, ja. Jesus hat das kommende Reich verkündet, und das heisst: eine neue Welt, die nicht zerstörerisch ist, sondern lebt von Gerechtigkeit, Solidarität und Liebe. Das ist, glaube ich, das Projekt Gottes.

2. Bilanz

Hat Gott auch mit jedem Einzelnen etwas vor? Mit Ihnen?

Das kann man nicht wissen. Ich bin alt. Was Gott mit mir vorgehabt hat, ist jetzt passiert. Ich habe als Mensch, als Pfarrer und als Theologe ein erfülltes Leben gehabt. Und ich habe probiert, etwas zu realisieren von dieser Liebe und Solidarität.

Ist es gelungen?

In meiner Ehe ist es glücklicherweise gelungen. Meine verstorbene Frau und ich haben ein erfülltes Zusammenleben gehabt, es war auch sexuell erfüllt. Und darüber hinaus, als Christ und Pfarrer? Es gelingt nie ganz. Ich habe das Gefühl, nicht ganz umsonst gelebt zu haben. Im Grossen und Ganzen ist es besser gelungen, als ich das im Voraus gedacht und gewünscht habe.

Spüren Sie eine Zufriedenheit?

Vor allem eine Dankbarkeit.

Wofür?

Dass es mir möglich war, unter guten Bedingungen zu leben. Stellen Sie sich vor, was in der Welt ringsum die Schweiz alles passiert ist. Was da ganz anders hätte laufen können. Aber wir sind verschont geblieben. Ich wurde 1921 geboren. Ich habe eine richtige Kindheit gehabt. Ich musste erst mit sieben zur Schule, kein Kindergarten, keine Früheinschulung. Trotz Krieg und Hitler hatte ich noch eine Jugend. Für diese glücklichen Umstände kann ich nichts. Aber ich bin dafür dankbar.

Kennen Sie dennoch das Gefühl, etwas verpasst zu haben?

Als ich jung war, hatte man viel weniger Möglichkeiten. Die vielen Möglichkeiten, die man heute hat, irritieren vor allem auch. Ich bin froh, dass ich heute nicht mehr jung bin. Meine Enkelkinder haben es schwieriger, bis sie ihren Weg gefunden haben. Ganz einfach hatten wir es auch nicht. Aber die Welt war übersichtlicher. Was es heute alles für Berufe gibt, das ist ja wahnsinnig. Die Auswahl war kleiner, insofern leichter.

Grosse Auswahl ist doch auch ein Vorteil?

Junge sind heute vielem ausgesetzt: den Medien, dem Fernsehen, dem Internet. Deshalb können sie über vieles mitreden. Es ist aber häufig ein Reden ohne wirklichen Erfahrungshintergrund. Was man nicht weiss, kann man schnell im Internet nachschauen. Ich denke da auch an die Geschichten sexueller Übergriffe im Umfeld des FC Thun etwa, in Zürich-Seebach.

Was denken Sie darüber?

Dass das auch eine Folge oberflächlicher Informiertheit ist. Die Jungen werden zwar heute früher reif, als wir es wurden, aber irgendwie zu früh, so dass sie die Sexualität noch kaum bewältigen können. Dann kann es zu solchen Geschichten kommen. Allerdings: Wir waren früher auch keine Engel. Aber die soziale Kontrolle hat besser funktioniert. Das hat Nach-, aber auch Vorteile. Die soziale Kontrolle war auch eine Hilfe. Man war enger gehalten, hatte aber Leitplanken. Überhaupt war der Respekt vor den Älteren und ihrer Erfahrung früher grösser.

3. Alt und Jung

Interessieren sich Junge heute noch für Ihre Lebenserfahrung?

Es passiert hie und da noch, dass Jüngere auf mich zukommen,

wegen meiner Schriftstellerarbeit. Es ist allerdings schwierig, ihnen zu raten. Ich habe ja nicht den gleichen Erfahrungs- und Erlebnishintergrund wie sie. Es hat mir immer ein wenig widerstanden, Ratschläge zu geben, Berater zu sein. Ich hätte mich nicht geeignet als Eheberater. Es gibt ja Pfarrer und Psychologen, die Eheberatung machen. Ich konnte eigentlich nur sagen: Ich habe Glück gehabt in der Ehe. Das ist aber kein Rezept und keine Hilfe für andere.

Können die Jungen die reiche Erfahrung der Alten am Ende gar nicht brauchen?

Vielleicht. Es geht alles immer schneller. Ich habe das bei den eigenen Kindern gesehen. Als sie 30-jährig waren, hatten sie kaum mehr Kontakt zu den 20-Jährigen.

4. Internet

Das Lebenstempo hat zugenommen?

Und wie. Unter anderem durch die modernen Kommunikationsmittel hat sich vieles verschnellert. Durch Computer, Internet, E-Mail. Ich besitze das alles nicht. Ich bin abgehängt von dieser ganzen Entwicklung.

Sie sagen das mit einem Lächeln.

Ja. Mir ist das gleichgültig. Für andere mag es lästig sein, wenn sie mich nicht erreichen. Meine Kinder haben diese Kommunikationsmittel natürlich.

Sie reden dennoch irgendwie fasziniert vom Internet.

Ich höre, was da Seltsames oder weniger Seltsames über mich im Internet steht. Ich weiss gar nicht, wie das funktioniert und wer das einspeist. Ich komme beim Internet einfach nicht nach. Aber habe nicht das Gefühl, ich müsste das jetzt noch in mein Leben integrieren.

Zum Internet gehört die Vorstellung, dass man zu einer Weltdemokratie vernetzt werde. Spricht Sie das nicht an?

Ich habe immer versucht, unabhängig zu bleiben. Zum Beispiel unabhängig vom Strom. Ich habe bis vor kurzem mit Klinge und Schaum rasiert. Ich war das gewöhnt vom Aktivdienst her, wo man nicht damit rechnen konnte, dass es überall einen elektrischen Anschluss gibt. Ich kann auf meiner mechanischen Schreibmaschine weiterschreiben, wenn die grosse Stromlücke kommen würde. Es ist vielleicht ein illusorisches Gefühl, unabhängig zu sein. Aber es stört mich nicht, dass ich von keinem Netz abhänge und so ein Stück weit autonom bin.

5. Fussball und Kirche

Verstehen Sie als Abgehängter die Welt von heute noch?

Wer versteht denn die Welt noch? Vieles verstehe ich tatsächlich nicht mehr. Es fällt mir gerade ein Beispiel ein. Jetzt haben doch der Kirchenbund und die Bischofskonferenz die geniale Idee gehabt, sich an die Fussball-Europameisterschaft anzuhängen. Das Motto «Die Kirche seit 2008 Jahren am Ball» ist schlicht ein Blödsinn. Es beginnt schon damit, dass dieses Motto gar nicht stimmt. Die Kirche gibt es nicht seit 2008 Jahren. Sie ist erst nach dem Tod von Jesus entstanden.

Die Gemeinde der Fussballfans ist schon selber eine Kirche, da braucht es nicht noch die Landeskirche?

So ungefähr. Gab es vor 2008 Jahren überhaupt schon Bälle? Sicher nicht Fussbälle. «Am Ball sein», das ist für mich eine Anbiederung. Die Kirche soll die Euro geschehen lassen, wie sie ist. Ohne die irrige Hoffnung, mit Grossleinwänden Gläubige zu gewinnen. Die Kirche ist nicht dafür da, den aktuellen Zeitgeist zu befriedigen. Sie hat einen Auftrag und eine Botschaft, unabhängig vom Zeitgeist. Es ist eine Botschaft, die in eine jeweilige Zeit hineingerichtet ist. Aber es geht nicht um Anpassung an eine Zeit.

«2008 Jahre am Ball» ist ein Werbespruch, den man nicht ganz für voll nehmen muss.

Ich halte es dennoch für eine Anbiederung. Heute werden viele Geschichten durch die grössere Verbreitung und die Multiplizierbarkeit so penetrant, dass es für mich aufdringlich wirkt.

6. Politik

Gilt das auch für die Politik? Verfolgen Sie sie noch?

Ja, Politik beschäftigt und ärgert mich weiterhin. Solange man sich ärgert, lebt man noch. Ich stimme immer ab. Aber ich verliere meistens.

Was denken Sie über den Ausgang der jüngsten Wahlen?

Ich bin besorgt über den Populismus der nationalkonservativen SVP. Ich muss aber auch lachen, wenn ich im Fernsehen sehe, wie Christoph Blocher mit den Armen in der Luft herumrudert. Er ist eine Art Clown, Ueli Maurer sein Clownpartner. Sie spielen eine Komödie. Ich bin im Grunde genommen ein konservativer Mensch, aber auf eine etwas andere Art als die SVP. Ich möchte andere Werte erhalten als sie. Die Nationalkonservativen finden, nationales Recht breche Völker- und Menschenrecht. Das ist eine fatale Haltung inmitten einer Welt, in der Völker- und Menschenrechte immer wieder verletzt werden.

Sehen Sie beim nun abgewählten Christoph Blocher auch Fähigkeiten? Er trifft offenbar den Nerv vieler.

Er trifft den Nerv nationaler Nostalgiker und derer, die Angst haben vor der Globalisierung. Natürlich kann er etwas. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer. Nur kann man einen Staat nicht auf die gleiche Art managen, wie das ein Firmenchef tut. Eine Firma ist ja keine Demokratie. Blocher ist eine merkwürdige Figur: einerseits weltweit tätiger Unternehmer, andererseits nationalistischer Polterer. Jetzt kann ich ihm nur empfehlen, in Ruhe seine Memoiren zu schreiben. Es verwundert mich übrigens, dass niemand Blochers Verhältnis zur Apartheid in Südafrika untersucht hat. Er war ja ein Verteidiger dieses Unrechtsregimes, das die schwarze Mehrheit unterdrückte.

Interessiert man sich nicht mehr für die jüngere Vergangenheit?

Das Gedächtnis wird vielleicht als Folge der Verschnellerung und Vielfalt der Informationen kurzfristiger. Immer nähere Vergangenheit wird immer schneller vergessen.

7. Atomkraft

Lässt Ihr Interesse an der Zukunft nach?

Das Interesse an meiner individuellen Zukunft lässt nach. Ich lebe von Woche zu Woche. Um die Zukunft der Welt mache ich mir aber schon Sorgen. Was wir mit der Welt anstellen, wie wir die Natur zerstören, ist verrückt. Ich sehe die Zukunft eher apokalyptisch. Immerhin scheint man nun die Klimaproblematik ernstnehmen zu wollen. Aber das in Taten umzusetzen, ist ungeheuer schwer. Man traut sich ja kaum, den Autoverkehr einzuschränken. Jetzt stehen wir vor dem Dilemma, dass man zur CO2-Reduktion wieder Atomkraftwerke bauen will. Nun war ich schon immer gegen AKWs und bin noch heute der Meinung, dass wir auf einer Zeitbombe sitzen. Wir wissen, was ein Unfall, etwa im nahen Mühleberg, bedeuten würde.

Was für eine Alternative zu neuen Atomkraftwerken schlagen Sie vor?

Ich will nicht von der Zuschauertribüne herunter alles besser wissen. Und es stimmt, dass es auch mit unserer Energiesparbereitschaft nicht sehr weit her ist. Deshalb kommen wir vielleicht wieder auf meine mechanische Schreibmaschine zurück.

Hatten Sie ein Auto?

Ich brauchte keins. Ich konnte alles mit dem Velo erreichen.

Wann sind Sie zum letzten Mal Velo gefahren?

Das weiss ich gar nicht. Vor 20 Jahren vielleicht?

8. Sterben

Realisierten Sie das bewusst als Abschied von einer gewissen Bewegungsfreiheit?

Von gewissen Dingen nimmt man schon bewusst Abschied, weil man Angst bekommt, keine Kraft mehr hat. Dieses ständige Abschiednehmen gehört zum Älterwerden. Und es ist gar nicht mit viel Wehmut verbunden.

Nicht?

Ach, das ist ja alles nichts gegen den Abschied von meiner Frau, die vor zwei Monaten gestorben ist. Das ist schlimm, das ist hart. Wenn man 58 Jahre zusammen gelebt hat und einer plötzlich nicht mehr da ist. Sie ist hier in diesem Zimmer, in dem ich jetzt wohne, krank gewesen und am 17. Oktober gestorben. Ich war in ihrer Nähe, bis zuletzt.

Wie nimmt man von der allernächsten Person Abschied?

Der Abschied begann schon damit, dass wir beide eine Patientenverfügung hatten, die festhält, dass wir beide keine lebensverlängernden Massnahmen wollen. Ich sage dem: sterbensverlängernde Massnahmen. Ich habe meine Frau beim Sterben begleitet. Mit dem Rollstuhl, der dort an der Wand steht, konnten wir zuerst noch in der Elfenau spazieren. Dann ging auch das nicht mehr, und sie wurde bettlägerig. Weil ich immer bei ihr war, konnte ich mit ihr reden, solange sie reden konnte. Ich habe dann auch mit ihr geredet, als sie nicht mehr reden konnte. Am Schluss ging es ziemlich rasch. Zuerst konnte sie nicht mehr reden, dann nicht mehr essen, dann nicht mehr trinken und schlucken. Ich sah: Diese Flamme erlöscht nun. Ihr Todestag war eigentlich schön.

Warum?

Der Sohn aus Zürich kam am späten Nachmittag und sagte Lebewohl. Bei einem anderen Sohn spielte die Weltgeschichte in die persönliche Geschichte rein. Er war in Frankreich in den Ferien, und er hörte, dass ein Bahnstreik angekündigt wurde. Er traf verfrüht in Bern ein und kam direkt hierher. Es war, als ob meine Frau mit dem Sterben noch gewartet hätte. Eine Viertelstunde später ist sie gestorben. Wir alle waren bei ihr. Und während sie starb, war draussen vor diesem Fenster ein prachtvoller Sonnenuntergang.

Der Schriftsteller Elias Canetti hatte einen Zorn auf den Tod und nannte ihn den grössten Feind der Menschen. Haben Sie diesen Zorn auch?

Das steht sogar in der Bibel: Der Tod ist der letzte Feind, der besiegt werden muss. Ich spürte keinen Zorn auf den Tod meiner Frau. Für sie war es eine Erlösung. Sie war so krank und hilflos. Es ist ja eine wahnsinnige Demütigung, was man da über sich ergehen lassen muss. Der französische Präsident Charles de Gaulles hat gesagt: «Das Alter ist ein Schiffbruch.» So erlebt man es.

Fühlen Sie sich von Ihrer Frau verlassen?

Ja schon. Wir stritten uns vorher ab und zu und sagten uns gegenseitig: Du stirbst dann bitte nicht vor mir. Ich sagte: Eine Frau kommt bekanntlich allein besser zurecht als ein Mann. Das hat sie bestritten. Sie sagte: Du kannst ja wieder heiraten. Da war sie sehr grosszügig.

Und wie kommt der Mann Kurt Marti nun allein zurecht?

Indem ich vorderhand hier versorgt bin, wo ich gesund zu essen bekomme. Ich lebe jetzt in einem Provisorium. Ich bin nirgendwo richtig zuhause, weder hier noch in meinem Haus, wo meine Frau nicht mehr da ist. Ich weiss noch nicht, wie es weitergeht und was ich bezahlen kann.

9. Hoffnung

Sie sagten, Sie würden von Woche zu Woche leben. Denken Sie noch so: «In fünf Jahren werde ich….?»

Es ist manchmal eine Beruhigung, wenn man sich sagen kann: In fünf Jahren bis du vielleicht gar nicht mehr da.

Haben Sie noch Hoffnung?

Ja. Dass ich noch Kraft habe, solange ich noch da bin. Und dass ich dann sanft und friedlich sterben kann.

Wovor haben Sie noch Angst?

Der Tod ist kein Problem. Man ist dann einfach tot. Aber das Sterben vorher, das macht einem schon Sorgen.

Verdrängt die Angst vor dem Sterben alle anderen Ängste?

Nein, nein. Man kann nicht immer an den Tod denken. Ich habe immer noch Freude an diesem Bisschen Leben, das ich noch habe.

Was bringt Sie heutzutage noch zum Lachen?

Letzthin musste ich lachen über dieses Foto des Jahres mit den Nackten auf dem Aletschgletscher. Die Art dieser Demonstration amüsierte mich.

10. Leben nach dem Tod

Sie sagten, wenn man tot ist, ist man tot. Glauben Sie als Christ und Pfarrer nicht an ein Weiterleben nach dem Tod?

Ich weiss doch nicht, was nachher kommt. Das überlasse ich Gott. Ich gehöre nicht zu denen, die offenbar wissen, was nachher passiert. Ich hatte ein so erfülltes Leben, dass ich es nicht nötig habe, mir da noch etwas auszumalen. Ich warte, ob da was ist oder ob da nichts ist. So oder so, ich vertraue darauf, dass es von Gott gewollt und deshalb gut sein wird. Ich weiss ja auch gar nicht, wie das ist, wenn alles aufhört.

Möchten Sie es denn wissen?

Diese Frage beschäftigt mich nicht heftig. Auch nicht als Christ. Der biblische Glaube orientiert sich nicht an einem Leben nach dem Tod. Das tun andere Religionen wie der Hinduismus. Im neuen Testament gibt es ein paar Auferweckungen vom Tod. Aber auffällig ist, dass die Auferweckten und auch der auferstandene Jesus kein Wort erzählen über das so genannte Jenseits. Es gibt nur ein grosses Schweigen über den Tod.

Was halten Sie von der Sterbeforschung?

Da geht es doch bloss um Vortodeserfahrungen. Meine Frau war nach einer Herzoperation nah am Tod. Sie erzählte, sie habe ein Licht gesehen, habe aber nicht gewusst, dass sie nah am Tod sei. Soll man dieses Licht jetzt schon als das Licht des Jenseits bezeichnen? Das ist einfach vorschnell. Jesus schickte nach seiner Auferstehung die Jünger mit irdischen Aufträgen nach Jerusalem. Das ist die Perspektive der Bibel. Nicht der Blick ins Jenseits. Ich nehme an, dass Gott nach dem Tod etwas macht. Vielleicht etwas ganz anderes, als wir uns das vorstellen können.

11.Schreiben und Lesen

Wir reden vom Verstummen. Schreiben Sie noch?

Es ist noch ein Buch von mir in der Pipeline des Nagel&Kimche-Verlags, das im nächsten Sommer erscheinen soll. Es ist ein Stück Memoiren über meine Jahre 1928 bis 1948, die ich in dritter Person schreibe. 1928 kam ich in die erste Klasse, 1948 wurde ich zum Pfarrer ordiniert, und dazwischen lag eine verrückte Zeit. Das Buch heisst «Ein Topf voll Zeit».

Sie schreiben noch und bestätigen also den Satz, dass man als Schriftsteller nie pensioniert wird?

Ich mache das jetzt einfach noch fertig. Aber am Vorwort laboriere ich enorm herum. Man wird, glaube ich, im Alter selbstkritischer. Unbeschwertheit und Frechheit fehlen einem.

Lesen Sie noch?

Ja. Zur Ablenkung habe ich eine Biografie gelesen über den Schriftsteller Ernst Jünger.

Lesen Sie auch noch Romane?

Nein, das interessiert mich nicht.

Warum nicht?

Ich habe selber genug Leben, was soll ich da mit erzähltem Leben? Meine Frau und ich haben ein anderes Verhältnis entwickelt zur Literatur: Wir haben, auch zum Gedächtnistraining, Gedichte auswendig gelernt. Zum Beispiel das «Abendlied» von Matthias Claudius. Sie kennen es vielleicht: «Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar…

… der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget, der weisse Nebel wunderbar.» Aber die anderen Strophen kann ich nicht.

Meiner Frau und mir war das Lied sehr lieb. Damit wir nicht immer nachschlagen mussten, haben wir es auswendig gelernt. Man hat einen Text dann bei sich, er bleibt bei einem, bis zuletzt. Als meine Frau kaum mehr reden konnte, habe ich manchmal das «Abendlied» begonnen, und sie fuhrt fort, so gut sie noch konnte. Sie wusste den Text noch, auch in ihrem Elend. Wir stellten so Kontakt her. Ich schaue öfter, ob ich das «Abendlied» noch auswendig kann.

In meinem Kopf ist ein Durcheinander gelesener Bücher.

Lernen Sie Gedichte auswendig! Gedichte sind kürzer und begleiten einem intensiver als komplizierte Handlungen. Und ich halte mich an kurze Gedichte, weil ich nicht weiss, wie lange ich noch lesen kann. Meine Augen sind krank. Hoffentlich sterbe ich, bevor ich erblinde.

Das ist ein Satz über das Sterben, der sich hart anhört.

Sie sind zu jung, um sich jetzt schon Sorgen über das Sterben zu machen.

Interview:Stefan von Bergen Der Autor: Stefan von Bergen (stefan. vonbergen at bernerzeitung.ch) ist «Zeitpunkt»-Leiter.

Hier noch das pdf-File 1pdf-File 2pdf-File 3 (jeweils gleiches Fenster) mit den Fotos – die mir heute von der BernerZeitung zur Verfügung gestellt wurden – Besten Dank.

Nydeggkirche bern

… Nydeggkirche Bern …

Einen Schluss Satz aus der Berner Zeitung von heute:

«Sinnvoller wäre es, etwa aus der Kappeler Milchsuppe des 16.Jahrhunderts einen Brauch zu machen. Denn wer gemeinsam isst, vergisst seine Feindseligkeiten schnell. So was hätte die Schweiz nötig.»

Vielleicht gar wie libref. mit der 2. Kappeler Milchsuppe. Über Pasqual Couchepin, der diesen Satz sagte, handelt der erste Blogbeitrag von libref.

Adventskalender

Weiter zum Adventskalender 27
Der Adventskalender darf ins eigene Blog gestellt werden – hier das Word Dokument 27 ( html)

Zusammenstellung, Fotos und Koordination: Stephan MartiFinanzblog

0,6% die keine Zugehörigkeit zur Kirche haben, sind über 120 Jahre alt …


… auf Seite 57 nachzulesen in «Religionslandschaft in der Schweiz». Datensammlung durch die Volkszählung 2000 …

merke dir:
1. traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast
2. nach der Notlüge kommt die Lüge und viel später die Statistik – mit entsprechend ausgearbeiteten Statistiken kann alles bewiesen werden
3. je mehr «Zahlen-Gespühr» ein Mensch hat, desto besser kann er Statistiken analysieren, interpretieren und in die Zukunft interpolieren. Die Tendenzen sind wichtig, nicht die Nachkommastellen oder die minimalen Randerscheinungen.

Vermutlich werden die Statistiken in der Schweiz noch unpräziser. Die Volkszählungen werden aus finanziellen Gründen auf Stichproben reduziert. Statistiken sollen eine Stütze für den GMV, den «gesunden Menschen-Verstand» sein. Diese Zeilen nur als Warnung, denn Statistiken werden viel zu viel Beachtung geschenkt, ohne zuerst einmal nach zu denken, auf welche Resultate man kommen müsste. Und wenn sie nun denken, ich hasse Statistiken und sei schlecht in dieser «Disziplin», dann unterliegen sie einem statistischen Irrtum. Und wenn sie denken, ich hätte eine gute Abschlussnote in Statistik gehabt, dann liegen sie richtig, aber wissen immer noch nicht, wie weit ich einmal aus Wut meine Statistikbibel in den Schnee geschmissen habe – gegen 30 Meter.

Die Power-Point-Präsentation Religionslandschaft Schweiz enthält sechs Folien, die sie selbst interpretieren können.

Ich denke, dass wir vor fast zwei Jahren an der Kappeler Milchsuppe die 130 seitige Studie nicht schlecht interpretiert haben. Viele andere, die dieses schier unendliche Zahlenmaterial zu interpretieren versuchen, kommen auf ähnliche Aussagen. Im «Bild der Wissenschaft 2/2007» unter «Warum Glaube nützt» finden sie einige dieser Zahlen in den internationalen Vergleich eingebetet und lesen auch, dass Menschen die täglich beten im Schnitt 50% mehr Kinder (2,06) haben, als solche die nie beten (1,39).

Statistiken aber immer hinterfragen – waren hier, mit «durchschnittlicher Kinderzahl», nun Frauen gemeint oder Familien. Und wenn letzter gemeint war, wie berechnet man eine Familie? Ein ähnliches statistisches Problem wird heute im Finanzblog angeschnitten.

Zu den Power-Point-Folien und zum Bericht will ich nur einige ganz allgemeine Aussagen festhalten:

– die Mehrheit identifiziert sich mit Religion/Kirche

– die Katholiken und die Reformierten bilden immer noch die überweigende Mehrheit in der Schweiz

– die Reformierten nehmen stärker als die Katholiken ab

– es gibt Anzahl mässig immer mehr Glaubensgemeinschaften, deren Gesamtmitgliederbestand insgesamt aber nur schwach zunimmt

– «keiner Glaubensgemeinschaft angehörend» nimmt stark zu

Zur letzten Aussage ergänzt die Basler Studie, dass sich der grösste Teil davon immer noch mit der Religion verbunden fühlt. Die wichtigsten Austrittsgründe aus der Landeskirche sind «Steuern sparen» oder »mit dem Angebot nicht zufrieden».

Literatur:
– Religionslandschaft in der Schweiz – ISBN: 3-303-16073-2 – pdf-File als Gratisdownload – Bundesamt für Statistik – Bovey/Broquet – Neuchâtel 2004
– Ökumenische Basler Kirchenstudie – Ergebnisse der Bevölkerungs- und Mitarbeitendenbefragung – Manfred Bruhn (Hrsg.) – Basel 1999 – Zusammenfassung
– Die politische Gemeinde in der Schweiz und ihre räumliche Identität – Diss. Oskar Flück – Basel 2004
– Bild der Wissenschaft – 2/2007 – Warum Glaube nützt – Seiten 32 – 49 …

… (letzte Seite) «»Es hat etwas Bestürzendes, dass sich ausgerechnet jene, die die religiöse Lehre besonders ernst nehmen, als die Intolerantesten erweisen.» Damit zwingt sich eine Schlussfolgerung auf: Religion besitzt kein Monopol auf Moral.»

In diesem Zusammenhang werden wir demnächst die Referate des BEA-Fachseminars aufschalten.

Text und Power-Point-Präsentation: Stephan Marti-Landolt – Finanzblog

Menschenrechtsrat beschlossen


Die UN-Generalversammlung hat die Schaffung der aus der Schweiz stammenden Idee eines Menschenrechtsrates zugestimmt. Er soll die Menschenrechtskommission ablösen. Die USA und Israel sind dagegen.

Vor einer Woche noch war sich «die Welt» im wahren Sinn des Wortes einig, geschlossen den Menschenrechtsrat zu proklamieren. Nur die USA war dagegen. Jetzt schlossen sich Israel, die Marshallinseln und Palau an – Weissrussland, Iran und Venezuela haben sich der Stimme enthalten. Kennzeichen dieser Länder ist, dass diese alle recht grosse Spannungen in der Bevölkerung aufweisen und einige, sehr stark von der USA abhängig sind. Ob die Menschenrechte hier immer selbst eingehalten werden, können sie selbst beurteilen. Jeder versteht unter Menschenrecht meist etwas anderes – und vielfach werden sie von Einzelnen auch unterschiedlich beurteilt. Je nachdem, um wen es geht. Die Konventionen müssen streng ausgelegt werden und so kann man vielleicht weitere Länder vom Sinn dieses Rates überzeugen.

Bundesrätin Calmy-Rey zeigt sich hocherfreut über diesen Erfolg, der Genève nach dem Autosalon noch einmal in die Schlagzeilen bringt … mehr dazu aus «der Bund»

… und hier noch ein Schreiben (pdf – gleiches Fenster) von Bundesrätin Michelin Calmy-Rey, das im Original neben meiner Tastatur liegt.

Text: Stephan Marti-Landoltfinanzblog (heute gleicher Beitrag)

Alphorn und die Kirche


Pater Maurus vom Kloster Einsiedel, Mitglied des Benediktinerordens und Dr. Hans-Ulrich Jäger-Werth, ehemaliger Pfarrer der reformierten Kirche Einsiedeln spielten an der zweiten Kappeler Milchsuppe mit den Alphörnern auf.

«Ein traditionelles Alphorn aus Holz ist sperrig, schwer und schnell beschädigt.» Zumindest so steht es im Migros-Magazin geschrieben. Bei Alpflyinghorn gibt es jetzt ein zusammen schiebbares Alphorn aus Karbon. Die beiden Musiker haben uns aber bewiesen, dass es schon früher ohne die grosse Sperrigkeit ging. Schön war es, zu zu hören und ob jeder den Unterschied zu seinem grossen Bruder, dem langen Alphorn und den verschiednen andern Tippen heraushören würde, wage ich zu bezweifeln.

Auf alle Fälle, herzlichen Dank für die musikalische Umrahmung unseres Anlasses.

«Vertrauen statt Angst – eine Einführung in den Evangelisch Reformierten Glauben» von Hans-Ulrich Jäger-Werth empfehlen wir zum lesen:

«In ökumenischer Offenheit gibt das 62-seitige Büchlein eine Einführung in die Besonderheiten unserer evangelisch-reformierten Glaubensweisen und Kirchen. Fragen wie z.B.: ″Was bedeutet Jesus für den reformierten Glauben?″ ″Wie können wir mit Zweifeln umgehen?″ kommen zur Sprache, aber auch das Leben der Gemeinde und die Bedeutung von Gottesdienst, Taufe, Unterricht, Abendmahl, Trauung, etc.

Mit seiner bewusst schlichten Sprache eignet sich das Buch gut für den Unterricht und für Erwachsenenbildungskurse.»

In Langenthal findet morgen Samstag um 17.00 Uhr in der Kirche Geissberg ein Alphorn- und Orgelkonzert mit den Oberaargauer Alphornbläser und Danielle Käser an der Orgel statt. Vor zwei Jjahren fand dieses Konzert zweimal im Berner Münster statt. Organisiert wird dieses Konzert von unserer Sektion in Langenthal, der Vereinigung für Freies Christentum. Der Eintritt ist frei – die Kollekte wird zur Umkostendeckung empfohlen.

Und wer die Organistin noch nicht kennt, kann dies heute Abend nachholen, ihr Ehemann, Hans-Jürg Käser, Kandidat als Berner Regierungsrat, wird ihr vermutlich aber die Show (zumindest heute) stehlen.

Text und Bilder: Stephan Marti-Landolt (StePHan mit PH wie AlPHorn) – finanzblog

Sikhs-Tempel in Langenthal


Demnächst wird der neue Sikhs-Tempel in Langenthal eröffnet.

Über den Jahreswechsel sind einige Artikel über den in Langenthal entstehenden Europas erster traditioneller Sikh-Tempel erschienen. Es wird ein Ort zum Kochen, Essen, Sitzen und zum Diskutieren. An dieser Stelle möchte ich Karan Singh dafür danken, dass wir am 21. Dezember mit Gästen und einigen Referenten an der «Zweiten Kappeler Milchsuppe» seine Gastfreundschaft geniessen durften – vor der offiziellen Einweihung.

Einen herzlichen Dank auch der Kirche Langenthal-Untersteckholz, die uns die vorgängige Vorstandsitzung ermöglichte. Normalerweise gilt der Dank der Kirchgemeinde St. Peter in Zürich, die uns das Arvenzimmer zur Verfügung stellt. Aber über diese Kirche mit dem grössten Zifferblatt der Schweiz, berichten wir später einmal.

Ganz besonders freut uns, dass der Kontakt mit der Journalistin Judith Stofer vom Presseladen durch unseren Blog zustande kam. Falls wir weitere Artikel von der in Fribourg und Paris ausgebildeten Theologin im Internet finden, werden wir ihnen diese nicht vorenthalten.

Am 21. Dezember war die Gratis-Zeitung NOZ, bei uns die Neue Oberaargauer Zeitung, einem Kopfblatt aus dem Verlagshaus Zehnder, Wil vertreten. Vermutlich werden die Artikel bewusst nicht ins Internet gestellt. Trotz umfassender Berichterstattung wurde der Sinn des Treffens nicht erfasst. Schade, aber nachvollziehbar, denn «unsere Thematik» ist für Aussenstehende (gem. NOZ) wirklich alles andere, als einfach zu verstehen. Aber danke, dass ihr in der gleichen Ausgabe auf das vierte «Rock in Church» vom 6. und 7. Januar 2006 ausführlich hinweist.

Sikhs

Text und Fotos: Stephan Marti-Landoltfinanzblog (wie immer, Beitrag und Fotos gratis, aber hoffentlich nicht vergebens – die «Zeilengeld» Probleme kennen wir nicht!

Religionen in Sri Lanka


Vortrag von Dr. Oskar Flück am 22.10.2005 Internationale Konferenz zum Thema Versöhnung in Kappel (Zürich) – zweite Kappeler Milchsuppe.

«Sri Lanka ist ein Land religiöser Toleranz und Freiheit»
(Webseite der srilankischen Botschaft in Deutschland)

Hinweis: Statistische Angaben unterscheiden sich gewaltig voneinander.

Statistische Übersicht 69% Buddhisten 15% Hindus, 8% CT, 8% Muslime

Die einzelnen Religionsgruppen

Der Buddhismus

Die buddhistische Religion wurde etwa 250 v.C. (andere Quellen 249, 242, 240) von Mahinda, einem Sohn des indischen Herrschers Ashoka, in Sri Lanka eingeführt- Er überzeugte den damaligen König Tissa von der Lehre Buddhas. Es gibt zwei Richtungen innerhalb des Buddhismus, die in der Geschichte Sri Lankas dominierten: der Hinanyana oder Theravatta-Buddhismus, das «Kleine Fahrzeug». In dieser Form können nur Mönche die Erleuchtung erlangen. Die Buddha-Natur wohnt auch nicht in jedem Menschen. Soziale Tätigkeit ist in dieser Form nicht zentral, es geht um die individuelle Befreiung. Sie ist orthodox und beruft sich auf die ältesten Schriften, den Pali-Kanon. Der Mahayana Buddhismus, das «Grosse Fahrzeug» entstand bei einer grossen Mönchsversammlung (sangha) rund 100 Jahre nach dem Tod Buddhas. Nun hat jeder Gläubige die Möglichkeit zur Erleuchtung. Zum Buddha gesellt sich die Bodhisattva Figur, die Barmherzigkeit und Gnade ausübt, um möglichst viele zur Erleuchtung zu führen. Der Bodhisattva ist erleuchtet, wartet aber aus Mitleid mit den Unerleuchteten auf das Eingehen ins Nirwana (Nichts),
In Sri Lanka dominierte der Mahayana vom 5. – 7.Jahrhundert. der mahayanische Einfluss ist nach wie vor da, bei Götteropfern und der Verehrung von Geistern durch das Volk.

Der Theravada – Buddhismus (Theravada = der „Weg der Älteren) ist nach einer von Burma und Thailand ausgehenden Erneuerungswelle in der Kolonialzeit dominierend. Zuvor, vor allem unter den Portugiesen, gab es im 16. Jahrhundert eine (römisch-katholische) Missionierungswelle.
In Sri Lanka besteht in allen Religionen das Kastenwesen als sozialer Faktor weiter. Im Buddhismus gibt es 14 Kasten (wichtig bei der Heirat), bei einem der drei Mönchsorden kann sogar nur Mönch werden, wer einer der beiden höchsten Kasten angehört. Es gibt je nach Quelle zwischen 5000 und 6000 buddhistische Klöster und max. 53’000 Mönche. Unter ihnen auch Frauen, aber sie sind sozial nicht so sehr anerkennt. Da der Mönch auf dem richtigen Lebenspfad ist, müssen ihn die Laien verehren um ihr Karma im Kreislauf der Leben zu verbessern.
Es gibt auf Sri Lanka seit 1753 die Siyam Nikaya, Zentrum Kandy wo auch ein Eckzahn Buddhas als höchste Reliquie verehrt und aufbewahrt wird, Missionierung von Thailand, elitär und hochkastig, Mönche bedecken eine Schulter und haben Schirm; die Amara Nikaya, Missionierung von Burma, offen für alle Kasten, seit 1803, beide Schultern bedeckt, Zentrum Galle/Balpittiya im S, und die mehr spirituell ausgerichtete Ramanya Nikaya, Ratmala/Colombo, für alle Kasten offen, beide Schultern bedeckt, aber Palmwedel statt Schirm.

Die Mönche sind gespalten bezüglich des Friedensprozess. Die nationalistischen Mönche sind gegen jeden Kompromiss und betrachten den Buddhismus als srilankische Leitkultur. Auch soll nach ihrem Willen singhalesisch einzige Amtssprache des Landes sein, da die Singhalesen ein auserwähltes Volk seien und die Hüter des wahren Buddhismus. Sie sind politisch in einer eigenen Partei, der Partei Nationales Erbe (Buddhistische Volkspartei) im Parlament vertreten. Eine weitere Lobby der Mönche ist die National Bikkhu Front. Als die Regierung mit den tamilischen Rebellen ein Post-Tsunami-Abkommen unterzeichnen wollte, begannen führende Mönche mit einem „Fasten bis zum Tode“. Auch wollen nationalistische Mönche ein Anti-Konversions-Gesetz einführen. Sie hetzen die Gläubigen auf gegen die „imperialistischen, kolonialistischen“ Christen und Muslime, warnen vor Bekehrungen als Angriff auf die nationale und religiöse Identität und sind mitverantwortlich für Angriffe auf christliche Kirchen (alleine in den ersten 4 Monaten 2004 waren es 44 Angriffe, bei den Kirchen und deren Einrichtungen von singhalesisch-buddhistischem Pöbel teilweise oder ganz zerstört wurden). Aber auch Muslime werden aufgrund ihres Kinderreichtums und des materiellen Reichtums als Gefahr verteufelt. Obwohl in buddhistischen Klöstern auch hinduistische Gottheiten verehrt werden, werden auch die Hinduisten als Einwanderer und Gefahr, ausgehend vom hinduistischen Indien, betrachtet. Als Schreckensvision sehen die srilankischen Buddhisten ein Wiederholung einer Invasion von Indien, wie bei der Cola-Herrschaft 985 – 1070. Nach den Präsidentschaftswahlen vom 17. November 2005 verschärft sich die innenpolitische Situation, da sowohl der neu gewählte Präsident als auch der von ihm ernannte Premierminister eine buddhistisch-nationalistische Linie vertreten.

Daneben gibt es aber auch die politisch neutralen Mönche, die in Frieden und Harmonie die Kernbotschaft des Buddhismus sehen und daher bereit sind, auf den Gegner – in Sri Lanka die LTTE – zuzugehen. Sie leben als Waldmönche in der Einsamkeit oder tun in grossen Klöstern viel für die Erziehung – im Gangaramaya Tempel in Colombo unter dem spirituellen Meister Podhihamuduruvo etwa Sprach- und Computerkurse für Hunderte -und speisen an einigen Orten auch Arme. Einige der friedliebenden Mönche sind im National Peace Counil engagiert – einige hatten im Oktober den nordöstlichen Distrikt Trincomalee besucht und dem humanitären Flügel der Rebellen (TRO) Schulhefte und anderes Material überreicht.

Der Hinduismus

Vor der buddhistischen Missionierung dominierte auf der ganzen Insel der Hinduismus. Heute sind über 80% der Tamilen Hindus, die 15,5% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Typisch für den Hinduismus ist das Kastensystem mit vier Hauptkasten (Priester, Krieger, Gutbesitzer und Arbeiter) sowie 3000 Unterkasten und die Verehrung eines ganzen Götterpantheons. Darin haben auch ein Jesus und eine Maria Platz, was die wichtige Funktion von Mariawallfahrtsorten auch für Hindus erklärt. Im Gegensatz zu den Singhalesen instrumentalisieren die LTTE Rebellen aber den Hinduismus politisch nicht – ja, stellen sich hinsichtlich der Rolle der Frau sogar gegen ihn. Dies obwohl sie eigentlich damit die Hindu-Karte in Indien ausspielen könnten. Indien aber ist seit der Ermordung von Rajiv Gandhi nicht LTTE-freundlich und hat Angst vor eigenen Separatismustendenzen. Schwere Auseinandersetzungen mit Toten gab es diesen Sommer in Trincomalee nach der illegalen Errichtung einer Buddhastatue. Hindu-Priester, die mit der Regierung kooperieren oder gar LTTE-feindlichen Gruppen nahe stehen, werden immer wieder umgebracht.
Autonomierechte der Tamilen werden von buddhistischen Gegnern als Gefahr für die buddhistische Kultur betrachtet und die politische Opposition der Tamilen als Terroristen.

Der Islam

Der Islam hat in Sri Lanka lange Tradition und kam in Form arabischer Händler ins Land, den Moors. Die meisten Muslims in Sri Lanka sind Sunniten. Viele einheimische Hindus und Buddhisten waren zum Islam übergetreten, dazu kamen islamische Glaubensflüchtlinge aus Südindien, die vor den Portugiesen flüchteten. Da viele Händlerfamilien reich geworden sind, weckt dies Neid. Man kann sagen, dass die Muslime so etwas wie die Juden Sri Lankas sind. Sowohl von buddhistischen als auch hinduistischen Vertretern werden sie nicht voll akzeptiert – beide Seiten betrachten sich als unrein (Essen). Immer wieder kommt es zu spontanen Übergriffen von Pöbel gegen muslimische Geschäfte, auch in der Hauptstadt Colombo. Buddhistische Hardliner sehen in den kinderreichen wohlhabenden Muslimen eine Bedrohung für die buddhistische Identität. Als sich Muslime gegen das Aufstellen buddhistischer Statuen in ihren Siedlungsgebieten wehrten, kam es am 13. April 2005 beispielsweise zu anti-islamischen Demonstrationen von Buddhisten. Ganz selten aber greifen Muslime Hindutempel oder buddhistische Schreine an. Die Muslime der Ostküste sind vom Tsunami besonders stark betroffen.
Hingegen kam es zu Übergriffen von durch wahabitische Prediger aufgehetzten Muslimen gegen Sufis, die keine Rechtgläubigen sein sollen. Auch junge Männer, die spielten oder tranken, wurden zusammengeschlagen oder gar getötet.

Christen

Das Christentum wurde ab 1505 nach Sri Lanka gebracht. Noch früher war es in Indien, wo in Madras ein Grab des Apostel Thomas (52 n.C.) existiert. Es gibt vor allem in den Küstenregionen von Sri Lanka grosse christliche Minderheiten. Der Anteil der Christen auf Sri Lanka beläuft sich auf rund 7,6%, er war zur Kolonialzeit noch knapp über 20%. In letzter Zeit aber stiegen die Mitgliederzahlen einiger oft von der USA aus finanzierten evangelikalen Kirchen um über 20% jährlich. Die Missionierungstätigkeit ist den buddhistischen Nationalisten ein Dorn im Auge, deshalb häuften sich in den letzten Jahren die Angriffe auf Kirchen – wobei die Freikirchen besonders häufig angegriffen wurden. Seit 1972 sind die Aufenthaltsgenehmigungen für Priester, Missionare und Ordensleute beschränkt. Am stärksten mit einem Anteil um 6% an der Gesamtbevölkerung bzw. je nach Quelle 74 bis 90% an den Christen, ist die römisch-katholische Kirche. Innerhalb dieser gibt es bezüglich der Lösung des ethnischen Konfliktes einen Riss zwischen den 3 Diozösen im tamilischen Gebiet und den übrigen im singhalesischen Siedlungsgebiet. Während 3 bis 4% der Singhalesen Christen sind, macht es bei den Tamilen rund 14% aus. Für die knapp über 1 Million Katholiken gibt es 682 Priester, 15 Bischöfe, ein Erzbischof und einen Kardinal. Das Mariawallfahrtszentrum von Madhu wird jedes Jahr von einer Million Pilger besucht, unter ihnen auch Hinduisten und Buddhisten.
Entgegen anderslautenden Quellen ist das Zusammenleben der Christen mit den Hindus relativ problemlos, es gibt viele Mischheiraten. Schwieriger haben es Christen in den Hochburgen singhalesischer Nationalisten. Kaum Berührungspunkte gibt es zu den Muslims, aber bezüglich der Verteidigung von Minderheitenrechte (z.B. Privatschulenverbot oder Einschränkung) tun sich Christen, Muslims und zuweilen auch Hindus zusammen.

Religionen in Sri Lanka

Zensus 1981 Schätzungen 2000 bis 2004

Buddhisten 69,3% 69,1% bis 71,9%
Hindus 15,5% 12% bis 15%
Muslims 7,6% 7,6% bis 8%
Christen 7,6% 7,3% bis7,5%

Flueck

Dr. Oskar Flück – im Hintergrund Dr. phil. Jürg Stüssi-Lauterburg

Wer sich im Buch von Flück Oscar«Die Politische Gemeinde in der Schweiz und ihre räumliche Identität» über die Religionslandschaft in der Schweiz der Jahre 1850, 1990 und 2000 informiert, findet einen unglaubliche Vielfalt an Daten.

Wesentlich kürzer ist die Zusammenfassung der Volkszählung 1970 – 2000

Zusammenstellung und Foto: Stephan Marti-Landoltfinanzblog

Forum für einen fortschrittlichen Islam


Frau Saïda Keller-Messahli folgerte anlässlich der zweiten Kappeler Milchsuppe fasste sich in Kappel kurz, brisant und äusserst interessant: « Die Forderung nach Religionsfrieden und Toleranz darf keineswegs zum schweigenden Akzeptieren, zum lähmenden Stillstand, zur Verhinderung auch engagierter Auseinandersetzungen werden.»

Schweizer Bürger muslimischen Glaubens wollen die kritische Debatte – das Forum für einen fortschrittlichen Islam, vertreten durch Frau Saïda Keller-Messahli:

Liebe Anwesenden

Es freut mich sehr, dass ich an diesem schönen und historischen Ort das «Forum für einen fortschrittlichen Islam» (FFI) vertreten kann. Unser Forum ist noch jung. Vor fast einem Jahr gegründet, bringt es Muslime, auch ganz viele Frauen, und Nichtmuslime zu anregenden Debatten zusammen. Unser Forum ist zwar noch jung, doch was wir vertreten, hat eine alte Tradition in der islamischen Kultur: das aktive Herstellen und Bewahren eines friedlichen und fruchtbaren Zusammenlebens mit anderen Religionen und Kulturen.

Dreissig Jahre vor der Kappeler Milchsuppe diktierte Isabella von Kastilien, die nationalistische Katholikin, das Ende der blühenden Kultur in Andalusien, welche Christen, Muslime und Juden gemeinsam trugen. An den Folgen dieser religiös-nationalistischen Ausschliessung tragen wir noch heute. Aber der andalusische Geist lebte in der arabischen Welt bis weit ins zwanzigste Jahrhundert fort. Er machte es möglich, dass während Jahrhunderten von Casablanca bis Baghdad Muslime, Juden und Christen nebeneinander lebten, ohne Vertreibungen oder gar Progrome. Auf Respekt und gegenseitiger Anerkennung war das gebaut, Anerkennung v.a. der Unterschiede.

Heute spricht man sehr schnell von «Toleranz». Zu schnell vielleicht, denn es kann nicht einfach eine Haltung sein, in der man sich einrichtet, sich’s bequem macht. Denn die Toleranz hat als ihre Grenze das, das nicht tolerierbar ist. Das verlangt, sich dauernd aktiv auseinander zu setzen mit dem anderen, dem Fremden. Toleranz kann das Ergebnis sein dieser anstrengenden Aktivität. In diesem Sinn sind wir vom FFI aktiv. Daraus entstehen zwei wichtige Anliegen, die ich Ihnen vorlegen möchte:

1. Der Islam ist ein riesiger kultureller Raum, bewohnt von 1,3 Milliarden Menschen. Der Islam ist kein Monolith, ebenso wenig, wie der «Westen». Was wir heute erleben, ist nicht sosehr ein Zusammenprall von Kulturen, als vielmehr die ganz heftige religiös-kulturelle Auseinandersetzung in der islamischen Welt selbst. Wir müssen unsere Kenntnisse vertiefen, müssen diese Konflikte im Islam tatsächlich erfassen, denn sie gehen uns alle an, es sind auch unsere Konflikte in der globalisierten Welt.

2. Damit diese Einblicke möglich werden, braucht es eine weite Öffnung der Diskussionen unter den Muslimen. Erst wenn die Diskussionen nach aussen getragen werden, öffentlich werden, erhält auch die Bevölkerung Einblick. Und viele wären überrascht zu realisieren, dass die Fragen, die hier verhandelt werden, auch ihre eigenen sind. Das bereitet den Boden für Toleranz. Diese zweite Forderung wäre also, dass die islamischen Organisationen der Schweiz sich nicht in inneren Zirkeln und Debatten abschotten, keine Igel-Stellung einnehmen, sondern ihre Dispute nach aussen hörbar machen.

Wir vom FFI möchten diese Auseinandersetzung wagen. Es muss nicht zu Schlachten kommen wie in Kappel. Aber hier in Kappel war der Religionsfrieden das Ergebnis der Auseinandersetzungen. Erst dadurch, dass sie nicht vermieden wurden, wurde der Frieden möglich. Die Forderung nach Religionsfrieden und Toleranz darf keineswegs zum schweigenden Akzeptieren, zum lähmenden Stillstand, zur Verhinderung auch engagierter Auseinandersetzungen werden.

Ich danke Ihnen!

Lic. phil. Saïda Keller-Messahli, Zürich, Oktober 2005

Frau Keller-Messahli, wir haben zu danken. Wer sich weiter mit diesen Gedanken beschäftigen möchte, dem empfehlen wir den Link «Presse» im Forum-Islam und besonders die Buchbesprechungen unter Literatur.

Keller

Frau Saïda Keller-Messahli im Gespräch mit Dr. Erwin Koller und Jean-Claude Cantieni

Zusammenstellung und Foto: Stephan Marti-Landoltfinanzblog

Religious Freedom as a Human Right


A contribution of Dr John B. Taylor Representative at the United Nations (Geneva)UN – of The International Association for Religious Freedom (IARF)

For over 100 years the International Association for Religious Freedom (IARF) has upheld the right to freedom of religion, both within a particular religion and between religions. The context today is one where for over 50 years the United Nations Universal Declaration of Human Rights in article 18 affirms this right, but where violations continue and preventive strategies are agreed but too seldom applied. There is also widespread recognition of the principle of Professor Hans Küng that there can be no peace in the world without peace among the religions of the world.

My work in inter-religious dialogue with the World Council of Churches, with the World Conference on Religion and Peace and with the International Association for Religious Freedom confirms the connections between the quest for peace and for justice, the connection between conditions for peace and the respect of the basic human right for freedom of religion or belief. My work has also confirmed the important and even disproportionately great contribution made by small “liberal” religious communities – drawing, for example, on Christian, Jewish, Muslim, Hindu and/or Buddhist traditions, as was the case for IARF for over a century.

I wish to address three key aspirations: peace, freedom and tolerance.

1. Peace:

Peace is not only external political or social peace but also inner peace which may draw on religious experiences. Religious people often preach the supreme value of peace, drawing from and contributing to ongoing religious and cultural traditions which extol peace; but they can sometimes misinterpret or misuse their religious traditions to justify exclusion or violence. Inter-religious dialogue can be a profoundly self-critical exercise as well as one to mobilize common visions and energies for peace-making.

International peace is often disturbed by national or local tensions, injustices and conflicts. The role of religion in provoking or healing such tensions often depends upon whether rights which one claims for oneself are also being coveted and protected for one’s neighbour, especially when that neighbour is of another faith tradition and is part of a vulnerable minority. Rights must enjoyed but that confers responsibilities to protect them for all communities. Peace among religions cannot be maintained by domination or control by the strong over the weak, but mutual respect for differences should lead to equal enjoyment of rights.

A particular context for inter-religious peace must be within the local community where ignorance may breed arrogance, privilege may blind people to injustices, strong and legitimate cultural identities my submerge minorities’ cultural expression. Migrant workers and asylum seekers are particularly susceptible to frustration and even, in extreme cases, violent reaction if they are denied recognition of their roots and their rights to religious and cultural identity and allowed only a suspicious or reluctant “welcome” into a new society.

2. Freedom:

As well as the political and social rights and responsibilities which should exist in all societies, there should be a particular concern to uphold freedom of religion or belief. Freedom is not only liberation from oppression or imposition but it is also liberation for participation in building a community. It may be necessary to ensure freedom from tyranny or exploitation, but it is equally important to mobilize freedom of choice and freedom of expression. Liberal religion does not mean an irresponsible freedom of intellectual or spiritual relativism nor yet a laissez-faire disengagement from social duties.

Freedom of religion also implies a commensurate freedom to choose not to believe in any religious tradition or not to belong to any particular religious community. The discrimination suffered by many religious communities in the context of atheistic or secular ideologies or governments should not justify any reprisals against “non-believers” once religious communities attain access to authority and power. The dialogue and quest for peace among religions is not to be conceived as a front against the “wicked world” of secularism! Partnerships to build peace and justice and to create social harmony and equality may develop between people of all faiths or of none.

Freedom is to be protected not only by protesting against violations but also be creating conditions where injustices and discriminations cannot survive. The General Assembly of the United Nations agreed to a request from the Special Rapporteur on freedom of religion or belief that a consultative conference on the theme of school education as a preventive strategy against intolerance and discrimination based on religion or belief be held in Madrid on the 20th anniversary of the 1981 United Nations “Declaration on the Elimination of all Forms of Intolerance and Discrimination based on Religion or Belief”. This Madrid conference recognized the different approaches to religious education about one’s own tradition, about the need to understand the wider field of world religions and about learning values from religion; it made recommendations for the teaching of tolerance, not least as drawn from the ideals of world religions.

3. Tolerance

The Preamble to the Charter speaks of “tolerance” as an active value; it should not be understood simply as passive toleration. Just as dialogue should not be understood in terms of compromise or syncretism but as a constructive confidence-building method to build shared community, even so tolerance should be seen as a dynamic expression of acceptance of diversity and respect for differences.

The current UN Special Rapporteur on freedom of religion or belief has made recent visits to countries like Sri Lanka, France and Nigeria. She has investigated abusive forms of proselytism but also of legislative repression of religious freedom; she has pointed to the counterproductive legislation that excludes especially young Muslim women from public education because of prohibitions against culturally specific dress; she has examined punitive legislation directed notably against women for example infringing marriage regulations. In every case she has identified problems of religious or ideological or cultural extremism and fanaticism which are better regulated by education and dialogue than be restrictive or punitive legislation.

The ethos of “liberal” religionists has always been to deplore intolerance and discrimination, extremism and fanaticism; but there is also a danger of moral superiority or impatience whereby one fails to persuade or even to engage in conversation or co-operation with those whom one considers as “illiberal”. One of the greatest challenges of dialogue is to listen, to seek to understand opposing positions, and, without compromising fundamental rights and duties, to offer mediation, to seek mitigation of conflict, and to attempt reconciliation. Sometimes the minority community, with least to lose, can succeed in such restoration of religious peace, of respect for fundamental freedoms and of conditions for a just and sharing community.

Dr. John Taylor hat diesen Vortrag von seiner englischen Vorlage in fliessendem Deutsch an der zweiten Kappeler Milchsuppe vorgetragen. Ich habe ihm eine eigentlich für unsere Veranstaltung fast nebensächliche Frage gestellt: Welche Religion haben sie persönlich? Er ist Methodist und vertritt damit indirekt die 8. verschiedene Glaubensrichtung an unserer Tagung. Einerseits kam diese Frage von mir als Leiter durch die Referate und andererseits vielleicht auch, weil mein Referat «die Religionslandschaft in der Schweiz» sich mit der Statistik beschäftig hat.

Taylor

Jean-Claude A. Cantieni im Gespräch mit Dr. John Taylor

Fotos und Zusammenstellung: Stephan Marti-Landoltfinanzblog

Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche und die Religionsrechte


Pfarrer liz. theol. Alexandru Nan sprach anlässlich der zweiten Kappeler Milchsuppe über die Rumänisch-Orthodoxe Kirche und die Religionsrechte

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geschätzte Damen und Herren,

am 21. Oktober hat unsere Rumänisch-Orthodoxe Kirche mehrere Männer gefeiert, die für die Freiheit ihres Glaubens gestorben sind: Visarion Sarai, Sofronie und Oprea und die Priester: Ioan aus Gales und Moise Macinic aus Sibiel.
Nach der Niederlage der Türken im Jahre 1683 vor den Toren Wiens begannen die Habsburger im Fürstentum Transsilvanien immer mehr Fuss zu fassen. Drei Jahre später schloss der transsilvanische Fürst Michael Apafy mit Österreich den so genannten Wiener Vertrag.
Am 4. Dezember 1691 erliess der österreichische Kaiser Leopold I. das so genannte „Leopoldinische Diplom“, das mehr als eineinhalb Jahrhunderte das Grundgesetz Transsilvaniens bildeten. Dieses Diplom erkannte die Privilegien der drei ständigen (politischen) Nationen an: Ungarn, Sachsen und Sekler, sowie auch die Rechte der vier „rezipierten“ Religionen: Katholiken, Reformierte, Lutheraner und Unitarier. Dies bedeutete, dass das rumänische Volk und die orthodoxe Religion, die auch künftig „toleriert“ waren, im Leopoldinischen Diplom nicht erwähnt wurden. Weil die Zahl der Orthodoxen grösser war, als jene aller „rezipierten“ Nationen zusammen, wollte die Katholische Kirche durch die Unterstützung der katholischen Habsburger die Vereinigung der Rumänen mit der Katholischen Kirche verwirklichen. Für einige Privilegien wurden der junge Bischof von Alba Iulia und einige Priester zu der Union mit Rom gewonnen. Diese Union erhielt aber einen grossen Widerstand. Viele Rumänen wurden verfolgt und einigen fanden den Tod in den Kerkern von Kufstein und Graz. An diese Märtyrer wollte ich erinnern, weil deren Geschichte mit jener Episode ähnelt, die in Kappel 1531 geschehen ist.

Mehr noch möchte ich aber die Situation der Rumänisch-Orthodoxen Kirchen unter dem Kommunismus schildern. Am 1. August 1975 haben die Regierungs- und Staatschefs aller europäischen Länder (mit Ausnahme Albaniens), der USA und Kanadas in Helsinki die Schlussakte der Konferenz über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) untergeschrieben. Die Signatarstaaten verpflichteten sich, „die Menschenrechte und Grundfreiheiten einschliesslich der Gedanken-, Gewissens, Religions- oder Überzeugungsfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechtes, der Sprache oder der Religion“ zu achten“.

Auch die Verfassung von 1974 garantierte die Religionsfreiheit, aber verschiedene Kirchen des Landes wurden nach wie vor unterdrückt. Die Orthodoxe Kirche Rumäniens hat unter den Kommunisten auch viel gelitten. Viele Geistlichen verbrachten viele Jahre im Gefängnis. Zahlreiche von ihnen kehrten nach ihrer Verhaftung niemals zurück. Es ist heute weniger bekannt, dass im Kreis Arges 3 Priester erschossen wurden. Unter der kommunistischen Regierungen wurden 2000-3000 orthodoxe Geistlichen verhaftet. Ähnliche Probleme hattenalle anerkannten Konfessionen Rumäniens, trotz den Versprechungen des kommunistischen Staates, die Religionsfreiheit aller Menschen zu respektieren.
Im Artikel 29 der heutigen rumänischen Verfassung wird es erklärt, dass „die Gewissensfreiheit eine Freiheit ist, die in ihrer Komplexität sowohl die Freiheit der religiösen Überzeugung umfasst als auch die Freiheit, sich für eine Religion zu entscheiden“ .
Gemäss dem Absatz 2 dieses Artikels ist der Staat verpflichtet: „die Religionsfreiheit zu achten und zu garantieren und sich dafür einzusetzen, die Nichteinhaltung dieser Freiheit, durch wenn auch immer, zu verhüten“ .
In Rumänien sind fünfzehn Kulte anerkannt worden, und mehr als hundertfünfzig Religionsgemeinschaften wurde der Status einer Rechtpersönlichkeit zuerkannt, so dass sie in der Ausübung ihrer Rechte volle Freiheit geniessen.

Auch die Orthodoxe Kirche unterstützte und unterstützt die religiöse Freiheit. Es waren schwierige Zeiten für alle Konfessionen Rumäniens und für die rumänische Bevölkerung, die heute in einigen Teilen der Welt zu Hause sind. Heute ist die Orthodoxie stark in der ökumenischen Arbeit tätig. Eine ökumenische Arbeit ist auch Friedensarbeit, sonst hat sie keine Existenzberechtigung. Versöhnung zwischen den Kirchen, zwischen den Religionen, zwischen den Völkern, Überwindung der Konflikte mit gewaltlosen Mitteln, Versöhnung mit den anderen Religionen sollen auch ihre Beschäftigungen sein.

Die Religionsfreiheit ist auch eine Beschäftigung der ÖRK-Mitgliedskirchen, wo die Orthodoxie sehr aktiv ist. Wie Jean-Paul Durant in seinem Artikel „Was haben der Ökumenische Rat der Kirchen und das Zweite Vatikanische Konzil zur Religionsfreiheit beitragen“? zeigte, hat der Ökumenische Rat der Kirchen seit seiner Entstehung (1948) auch mit dem Begriff „der individuellen religiösen Freiheit“ sehr präsent . Bei den Themen der normalen Generalversammlungen des ÖRK wurde immer auch ein lebhaftes Interesse für die Menschenrechte und für die sozialen Fragen geäussert, und dabei war durchaus klar, dass dieses Interesse auch der religiösen Freiheit ihrer Konfessionen galt . In einer Sitzung der ÖRK wurde über die Religionsfreiheit dekretiert:

„Wir anerkennen das Recht jeder Menschen, „allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat gemäss den Grundsätzen der Religionsfreiheit zu leben. Die Religionsfreiheit bestätigt das Recht eines jeden Menschen, die Wahrheit zu suchen und nach seinem Gewissen Zeugnis von dieser Wahrheit abzulegen. Sie umfasst auch das Recht, Jesus Christus als Herrn und Heiland zu bekennen und den Glauben an ihn in Wort und Tat zu bezeugen.
Religionsfreiheit beinhaltet das Recht, einen Glauben anzunehmen oder den Glauben zu wechseln und seiner Religion‚ durch Gottesdienst, Brauchtum, Praxis und Lehre Ausdruck zu verleihen, ohne hierbei einem Zwang unterworfen zu werden, der diese Freiheit einschränken würde.
Wir lehnen jegliche Verletzung der Religionsfreiheit und alle Formen religiöser Intoleranz ebenso ab wie jeglichen Versuch, anderen einen Glauben oder eine religiöse Praxis aufzudrängen oder sie im Namen einer Religion zu manipulieren oder sie unter Druck zu setzen“ .

Erlauben sie mir, diese Sätzen des Dokumentes mit der Schlussfolgerung zu beenden: Ohne Wahrheit, Nächstenliebe und ohne die Tugend der Stärke kann es keine Religionsfreiheit geben.

Pfarrer liz. theol. Alexandru Nan, Chur

1) Dritte Diskussionsrunde: „Praktiken der Länder“, in: Internationales Seminar „Menschenrechte und Religionsfreiheit: Praktiken in Westeuropa“ (II), 27.-30. Januar 2001, Paris, 14-60, hier 54.
2) Ebd. 54.
3) In: Internationales Seminar 119-135, hier 126.
4) Ebd. 127.
5) „Die Herausforderung des Proselytismus und die Berufung zu gemeinsamen Zeugnis, in: DwÜ III, 704-705.

Nan

Zusammenstellung und Foto: Stephan Marti-Landoltfinanzblog