Religionen in Sri Lanka


Vortrag von Dr. Oskar Flück am 22.10.2005 Internationale Konferenz zum Thema Versöhnung in Kappel (Zürich) – zweite Kappeler Milchsuppe.

«Sri Lanka ist ein Land religiöser Toleranz und Freiheit»
(Webseite der srilankischen Botschaft in Deutschland)

Hinweis: Statistische Angaben unterscheiden sich gewaltig voneinander.

Statistische Übersicht 69% Buddhisten 15% Hindus, 8% CT, 8% Muslime

Die einzelnen Religionsgruppen

Der Buddhismus

Die buddhistische Religion wurde etwa 250 v.C. (andere Quellen 249, 242, 240) von Mahinda, einem Sohn des indischen Herrschers Ashoka, in Sri Lanka eingeführt- Er überzeugte den damaligen König Tissa von der Lehre Buddhas. Es gibt zwei Richtungen innerhalb des Buddhismus, die in der Geschichte Sri Lankas dominierten: der Hinanyana oder Theravatta-Buddhismus, das «Kleine Fahrzeug». In dieser Form können nur Mönche die Erleuchtung erlangen. Die Buddha-Natur wohnt auch nicht in jedem Menschen. Soziale Tätigkeit ist in dieser Form nicht zentral, es geht um die individuelle Befreiung. Sie ist orthodox und beruft sich auf die ältesten Schriften, den Pali-Kanon. Der Mahayana Buddhismus, das «Grosse Fahrzeug» entstand bei einer grossen Mönchsversammlung (sangha) rund 100 Jahre nach dem Tod Buddhas. Nun hat jeder Gläubige die Möglichkeit zur Erleuchtung. Zum Buddha gesellt sich die Bodhisattva Figur, die Barmherzigkeit und Gnade ausübt, um möglichst viele zur Erleuchtung zu führen. Der Bodhisattva ist erleuchtet, wartet aber aus Mitleid mit den Unerleuchteten auf das Eingehen ins Nirwana (Nichts),
In Sri Lanka dominierte der Mahayana vom 5. – 7.Jahrhundert. der mahayanische Einfluss ist nach wie vor da, bei Götteropfern und der Verehrung von Geistern durch das Volk.

Der Theravada – Buddhismus (Theravada = der „Weg der Älteren) ist nach einer von Burma und Thailand ausgehenden Erneuerungswelle in der Kolonialzeit dominierend. Zuvor, vor allem unter den Portugiesen, gab es im 16. Jahrhundert eine (römisch-katholische) Missionierungswelle.
In Sri Lanka besteht in allen Religionen das Kastenwesen als sozialer Faktor weiter. Im Buddhismus gibt es 14 Kasten (wichtig bei der Heirat), bei einem der drei Mönchsorden kann sogar nur Mönch werden, wer einer der beiden höchsten Kasten angehört. Es gibt je nach Quelle zwischen 5000 und 6000 buddhistische Klöster und max. 53’000 Mönche. Unter ihnen auch Frauen, aber sie sind sozial nicht so sehr anerkennt. Da der Mönch auf dem richtigen Lebenspfad ist, müssen ihn die Laien verehren um ihr Karma im Kreislauf der Leben zu verbessern.
Es gibt auf Sri Lanka seit 1753 die Siyam Nikaya, Zentrum Kandy wo auch ein Eckzahn Buddhas als höchste Reliquie verehrt und aufbewahrt wird, Missionierung von Thailand, elitär und hochkastig, Mönche bedecken eine Schulter und haben Schirm; die Amara Nikaya, Missionierung von Burma, offen für alle Kasten, seit 1803, beide Schultern bedeckt, Zentrum Galle/Balpittiya im S, und die mehr spirituell ausgerichtete Ramanya Nikaya, Ratmala/Colombo, für alle Kasten offen, beide Schultern bedeckt, aber Palmwedel statt Schirm.

Die Mönche sind gespalten bezüglich des Friedensprozess. Die nationalistischen Mönche sind gegen jeden Kompromiss und betrachten den Buddhismus als srilankische Leitkultur. Auch soll nach ihrem Willen singhalesisch einzige Amtssprache des Landes sein, da die Singhalesen ein auserwähltes Volk seien und die Hüter des wahren Buddhismus. Sie sind politisch in einer eigenen Partei, der Partei Nationales Erbe (Buddhistische Volkspartei) im Parlament vertreten. Eine weitere Lobby der Mönche ist die National Bikkhu Front. Als die Regierung mit den tamilischen Rebellen ein Post-Tsunami-Abkommen unterzeichnen wollte, begannen führende Mönche mit einem „Fasten bis zum Tode“. Auch wollen nationalistische Mönche ein Anti-Konversions-Gesetz einführen. Sie hetzen die Gläubigen auf gegen die „imperialistischen, kolonialistischen“ Christen und Muslime, warnen vor Bekehrungen als Angriff auf die nationale und religiöse Identität und sind mitverantwortlich für Angriffe auf christliche Kirchen (alleine in den ersten 4 Monaten 2004 waren es 44 Angriffe, bei den Kirchen und deren Einrichtungen von singhalesisch-buddhistischem Pöbel teilweise oder ganz zerstört wurden). Aber auch Muslime werden aufgrund ihres Kinderreichtums und des materiellen Reichtums als Gefahr verteufelt. Obwohl in buddhistischen Klöstern auch hinduistische Gottheiten verehrt werden, werden auch die Hinduisten als Einwanderer und Gefahr, ausgehend vom hinduistischen Indien, betrachtet. Als Schreckensvision sehen die srilankischen Buddhisten ein Wiederholung einer Invasion von Indien, wie bei der Cola-Herrschaft 985 – 1070. Nach den Präsidentschaftswahlen vom 17. November 2005 verschärft sich die innenpolitische Situation, da sowohl der neu gewählte Präsident als auch der von ihm ernannte Premierminister eine buddhistisch-nationalistische Linie vertreten.

Daneben gibt es aber auch die politisch neutralen Mönche, die in Frieden und Harmonie die Kernbotschaft des Buddhismus sehen und daher bereit sind, auf den Gegner – in Sri Lanka die LTTE – zuzugehen. Sie leben als Waldmönche in der Einsamkeit oder tun in grossen Klöstern viel für die Erziehung – im Gangaramaya Tempel in Colombo unter dem spirituellen Meister Podhihamuduruvo etwa Sprach- und Computerkurse für Hunderte -und speisen an einigen Orten auch Arme. Einige der friedliebenden Mönche sind im National Peace Counil engagiert – einige hatten im Oktober den nordöstlichen Distrikt Trincomalee besucht und dem humanitären Flügel der Rebellen (TRO) Schulhefte und anderes Material überreicht.

Der Hinduismus

Vor der buddhistischen Missionierung dominierte auf der ganzen Insel der Hinduismus. Heute sind über 80% der Tamilen Hindus, die 15,5% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Typisch für den Hinduismus ist das Kastensystem mit vier Hauptkasten (Priester, Krieger, Gutbesitzer und Arbeiter) sowie 3000 Unterkasten und die Verehrung eines ganzen Götterpantheons. Darin haben auch ein Jesus und eine Maria Platz, was die wichtige Funktion von Mariawallfahrtsorten auch für Hindus erklärt. Im Gegensatz zu den Singhalesen instrumentalisieren die LTTE Rebellen aber den Hinduismus politisch nicht – ja, stellen sich hinsichtlich der Rolle der Frau sogar gegen ihn. Dies obwohl sie eigentlich damit die Hindu-Karte in Indien ausspielen könnten. Indien aber ist seit der Ermordung von Rajiv Gandhi nicht LTTE-freundlich und hat Angst vor eigenen Separatismustendenzen. Schwere Auseinandersetzungen mit Toten gab es diesen Sommer in Trincomalee nach der illegalen Errichtung einer Buddhastatue. Hindu-Priester, die mit der Regierung kooperieren oder gar LTTE-feindlichen Gruppen nahe stehen, werden immer wieder umgebracht.
Autonomierechte der Tamilen werden von buddhistischen Gegnern als Gefahr für die buddhistische Kultur betrachtet und die politische Opposition der Tamilen als Terroristen.

Der Islam

Der Islam hat in Sri Lanka lange Tradition und kam in Form arabischer Händler ins Land, den Moors. Die meisten Muslims in Sri Lanka sind Sunniten. Viele einheimische Hindus und Buddhisten waren zum Islam übergetreten, dazu kamen islamische Glaubensflüchtlinge aus Südindien, die vor den Portugiesen flüchteten. Da viele Händlerfamilien reich geworden sind, weckt dies Neid. Man kann sagen, dass die Muslime so etwas wie die Juden Sri Lankas sind. Sowohl von buddhistischen als auch hinduistischen Vertretern werden sie nicht voll akzeptiert – beide Seiten betrachten sich als unrein (Essen). Immer wieder kommt es zu spontanen Übergriffen von Pöbel gegen muslimische Geschäfte, auch in der Hauptstadt Colombo. Buddhistische Hardliner sehen in den kinderreichen wohlhabenden Muslimen eine Bedrohung für die buddhistische Identität. Als sich Muslime gegen das Aufstellen buddhistischer Statuen in ihren Siedlungsgebieten wehrten, kam es am 13. April 2005 beispielsweise zu anti-islamischen Demonstrationen von Buddhisten. Ganz selten aber greifen Muslime Hindutempel oder buddhistische Schreine an. Die Muslime der Ostküste sind vom Tsunami besonders stark betroffen.
Hingegen kam es zu Übergriffen von durch wahabitische Prediger aufgehetzten Muslimen gegen Sufis, die keine Rechtgläubigen sein sollen. Auch junge Männer, die spielten oder tranken, wurden zusammengeschlagen oder gar getötet.

Christen

Das Christentum wurde ab 1505 nach Sri Lanka gebracht. Noch früher war es in Indien, wo in Madras ein Grab des Apostel Thomas (52 n.C.) existiert. Es gibt vor allem in den Küstenregionen von Sri Lanka grosse christliche Minderheiten. Der Anteil der Christen auf Sri Lanka beläuft sich auf rund 7,6%, er war zur Kolonialzeit noch knapp über 20%. In letzter Zeit aber stiegen die Mitgliederzahlen einiger oft von der USA aus finanzierten evangelikalen Kirchen um über 20% jährlich. Die Missionierungstätigkeit ist den buddhistischen Nationalisten ein Dorn im Auge, deshalb häuften sich in den letzten Jahren die Angriffe auf Kirchen – wobei die Freikirchen besonders häufig angegriffen wurden. Seit 1972 sind die Aufenthaltsgenehmigungen für Priester, Missionare und Ordensleute beschränkt. Am stärksten mit einem Anteil um 6% an der Gesamtbevölkerung bzw. je nach Quelle 74 bis 90% an den Christen, ist die römisch-katholische Kirche. Innerhalb dieser gibt es bezüglich der Lösung des ethnischen Konfliktes einen Riss zwischen den 3 Diozösen im tamilischen Gebiet und den übrigen im singhalesischen Siedlungsgebiet. Während 3 bis 4% der Singhalesen Christen sind, macht es bei den Tamilen rund 14% aus. Für die knapp über 1 Million Katholiken gibt es 682 Priester, 15 Bischöfe, ein Erzbischof und einen Kardinal. Das Mariawallfahrtszentrum von Madhu wird jedes Jahr von einer Million Pilger besucht, unter ihnen auch Hinduisten und Buddhisten.
Entgegen anderslautenden Quellen ist das Zusammenleben der Christen mit den Hindus relativ problemlos, es gibt viele Mischheiraten. Schwieriger haben es Christen in den Hochburgen singhalesischer Nationalisten. Kaum Berührungspunkte gibt es zu den Muslims, aber bezüglich der Verteidigung von Minderheitenrechte (z.B. Privatschulenverbot oder Einschränkung) tun sich Christen, Muslims und zuweilen auch Hindus zusammen.

Religionen in Sri Lanka

Zensus 1981 Schätzungen 2000 bis 2004

Buddhisten 69,3% 69,1% bis 71,9%
Hindus 15,5% 12% bis 15%
Muslims 7,6% 7,6% bis 8%
Christen 7,6% 7,3% bis7,5%

Flueck

Dr. Oskar Flück – im Hintergrund Dr. phil. Jürg Stüssi-Lauterburg

Wer sich im Buch von Flück Oscar«Die Politische Gemeinde in der Schweiz und ihre räumliche Identität» über die Religionslandschaft in der Schweiz der Jahre 1850, 1990 und 2000 informiert, findet einen unglaubliche Vielfalt an Daten.

Wesentlich kürzer ist die Zusammenfassung der Volkszählung 1970 – 2000

Zusammenstellung und Foto: Stephan Marti-Landoltfinanzblog

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