Forum für einen fortschrittlichen Islam


Frau Saïda Keller-Messahli folgerte anlässlich der zweiten Kappeler Milchsuppe fasste sich in Kappel kurz, brisant und äusserst interessant: « Die Forderung nach Religionsfrieden und Toleranz darf keineswegs zum schweigenden Akzeptieren, zum lähmenden Stillstand, zur Verhinderung auch engagierter Auseinandersetzungen werden.»

Schweizer Bürger muslimischen Glaubens wollen die kritische Debatte – das Forum für einen fortschrittlichen Islam, vertreten durch Frau Saïda Keller-Messahli:

Liebe Anwesenden

Es freut mich sehr, dass ich an diesem schönen und historischen Ort das «Forum für einen fortschrittlichen Islam» (FFI) vertreten kann. Unser Forum ist noch jung. Vor fast einem Jahr gegründet, bringt es Muslime, auch ganz viele Frauen, und Nichtmuslime zu anregenden Debatten zusammen. Unser Forum ist zwar noch jung, doch was wir vertreten, hat eine alte Tradition in der islamischen Kultur: das aktive Herstellen und Bewahren eines friedlichen und fruchtbaren Zusammenlebens mit anderen Religionen und Kulturen.

Dreissig Jahre vor der Kappeler Milchsuppe diktierte Isabella von Kastilien, die nationalistische Katholikin, das Ende der blühenden Kultur in Andalusien, welche Christen, Muslime und Juden gemeinsam trugen. An den Folgen dieser religiös-nationalistischen Ausschliessung tragen wir noch heute. Aber der andalusische Geist lebte in der arabischen Welt bis weit ins zwanzigste Jahrhundert fort. Er machte es möglich, dass während Jahrhunderten von Casablanca bis Baghdad Muslime, Juden und Christen nebeneinander lebten, ohne Vertreibungen oder gar Progrome. Auf Respekt und gegenseitiger Anerkennung war das gebaut, Anerkennung v.a. der Unterschiede.

Heute spricht man sehr schnell von «Toleranz». Zu schnell vielleicht, denn es kann nicht einfach eine Haltung sein, in der man sich einrichtet, sich’s bequem macht. Denn die Toleranz hat als ihre Grenze das, das nicht tolerierbar ist. Das verlangt, sich dauernd aktiv auseinander zu setzen mit dem anderen, dem Fremden. Toleranz kann das Ergebnis sein dieser anstrengenden Aktivität. In diesem Sinn sind wir vom FFI aktiv. Daraus entstehen zwei wichtige Anliegen, die ich Ihnen vorlegen möchte:

1. Der Islam ist ein riesiger kultureller Raum, bewohnt von 1,3 Milliarden Menschen. Der Islam ist kein Monolith, ebenso wenig, wie der «Westen». Was wir heute erleben, ist nicht sosehr ein Zusammenprall von Kulturen, als vielmehr die ganz heftige religiös-kulturelle Auseinandersetzung in der islamischen Welt selbst. Wir müssen unsere Kenntnisse vertiefen, müssen diese Konflikte im Islam tatsächlich erfassen, denn sie gehen uns alle an, es sind auch unsere Konflikte in der globalisierten Welt.

2. Damit diese Einblicke möglich werden, braucht es eine weite Öffnung der Diskussionen unter den Muslimen. Erst wenn die Diskussionen nach aussen getragen werden, öffentlich werden, erhält auch die Bevölkerung Einblick. Und viele wären überrascht zu realisieren, dass die Fragen, die hier verhandelt werden, auch ihre eigenen sind. Das bereitet den Boden für Toleranz. Diese zweite Forderung wäre also, dass die islamischen Organisationen der Schweiz sich nicht in inneren Zirkeln und Debatten abschotten, keine Igel-Stellung einnehmen, sondern ihre Dispute nach aussen hörbar machen.

Wir vom FFI möchten diese Auseinandersetzung wagen. Es muss nicht zu Schlachten kommen wie in Kappel. Aber hier in Kappel war der Religionsfrieden das Ergebnis der Auseinandersetzungen. Erst dadurch, dass sie nicht vermieden wurden, wurde der Frieden möglich. Die Forderung nach Religionsfrieden und Toleranz darf keineswegs zum schweigenden Akzeptieren, zum lähmenden Stillstand, zur Verhinderung auch engagierter Auseinandersetzungen werden.

Ich danke Ihnen!

Lic. phil. Saïda Keller-Messahli, Zürich, Oktober 2005

Frau Keller-Messahli, wir haben zu danken. Wer sich weiter mit diesen Gedanken beschäftigen möchte, dem empfehlen wir den Link «Presse» im Forum-Islam und besonders die Buchbesprechungen unter Literatur.

Keller

Frau Saïda Keller-Messahli im Gespräch mit Dr. Erwin Koller und Jean-Claude Cantieni

Zusammenstellung und Foto: Stephan Marti-Landoltfinanzblog

5 thoughts on “Forum für einen fortschrittlichen Islam”

  1. Unvereinbar: die Gerechtigkeit Gottes und das islamische Schicksal

    Der Islam gründet sich zum einen auf der Aussage das Allah das Schicksal der Menschen vorausbestimmt hat, wirklich nichts kann ohne den Willen Allahs passieren, es kann nicht mal ein Stein zu Boden fallen, ohne dass Allah schon längst bestimmt hat wie er hinfällt und liegen bleibt. Wer daran nicht glaubt ist kein Muslim, weil er nicht an das Schicksal glaubt bzw weil derjenige nicht daran glaubt, dass Allah alles vorausbestimmt hat ist und dass alles Geschehen nur durch den Willen Allahs passieren kann.

    Auf der einen Seite steht die Aussage das Allah gerecht ist und auf der anderen Seite steht, dass der Mensch nur das Leben von Allah erhält was Allah ihm als Schicksal bestimmt hat, diese beiden Aussagen sind aber absolut gegensätzlich, denn im «heiligen» Quran steht, dass die Hölle riesengroß sein soll und das Allah der große Gott dort unmengen an ´Menschen reinstopfen will und in seinem unendlichen Zorn fürchterlich und bis in alle Ewigkeit ohne Erbarmen bestrafen will – für ihre ungerechten Taten, somit übertrifft Allahs unendlicher Hass alles nur denkbar schlechte in dieser Welt. Warum will Allah aber nun die Menschen, man kann vielleicht von etwa 50% aller Menschen ausgehen, so schlimm bestrafen, obwohl Allah doch das Schicksal aller Menschen vorausbestimmt hat, das ist wohl ein schlechter Scherz oder?
    Auf der einen Seite steht dass Allah das Handeln der Menschen durch das von Allah bestimmte Schicksal selbst bestimmt und auf der anderen Seite steht, das Allah, die Menschen für ihr Handeln bestrafen will, was soll den dieser Gegensatz, dass passt doch absolut nicht zusammen.

    Was ist nun die Wahrheit?
    a) das Gott gerecht ist
    oder
    b) das der islamische Allah das gute und schlechte Handeln der Menschen vorausbestimmt hat, so dass der Mensch praktisch dass tut was Allah im eingegeben hat und das Allah die Menschen anschließend für das von Allah vorausbestimmte Schicksal in die Hölle wirft, obwohl das Schicksal doch von Allah selbst bestimmt wurde?

  2. … das tönt fast Calvinistisch, aber zu sehr möchte ich mich nicht theologisch fassen. Ich höre lieber Musik – zur Zeit gerade Johnny Cash mit San Quentin. Und wenn sich einige zu viel vom Vorausbestimmten leiten lassen und übertreiben, könnten sie mit diesem Namen oder Ähnlichem in Berührung kommen.

    Und das Interessante, alle Muslims die ich kenne, wissen nicht was in der Zukunft geschieht und einige sorgen sich sogar um diese. Wenn alles vorbestimmt wäre, dann wäre diese Haltung absolut überflüssig.

    Zudem scheint Gott nicht immer gerecht zu sein. Er scheint auf dieser Welt nicht ein zu greifen, lässt uns machen. Ja er hat nicht einmal Jesus geholfen

    Wenn ich es mir genau überlege, dann haben wir vermutlich alle den gleichen Gott, die gleiche Einstellung zum Leben – ob Christen oder Muslims. Diese Lehrmeinung entspricht ganz der amerikanischen Haltung, die zur Zeit die Politik und Kirche (dort drüben) prägt. Ich empfehle jedem einmal den Nebelspalter Nr.3/133 zu lesen. Ein kleines Zitat:

    Der Teufel zu Gott, der die Welt in den Händen hält: «6 Tage Produktionsdauer ist zu knapp. Das gibt wieder Reklamationen ohne Ende. Sie ist doch noch gar nicht durch den TÜV.» Wer es nicht wissen sollte, es gibt viele Christen, die glauben nicht an die Hölle.

  3. SO-Bericht am 1.3.2009
    Interview mit Frau Saida Keller-Messahli
    Ihr Interwiew hat mich sehr beeindruckt. Sie sind eine interessante, intelligente Persönlichkeit mit einer sehhr postiven Ausstrahlung. Ich bin Präsident der Glarner Landratsfraktion der CVP. Kann man Frau Keller auch für Vorträge engagieren?
    Fredo Landolt

  4. Obigen Kommentar lassen wir so stehen, damit er allenfalls zurückverfolgt werden kann. Diese Äusserung ist am Rande der Legalität.

    Autor: trachsel roland (IP: 92.105.1.85)
    E-Mail: r-trachsel

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