Liberale Theologie heute


Der «Prix libref» nähert sich einem zweiten Meilenstein – die Ausschreibung für eine theologische Arbeit nähert sich mit Riesenschritten. Weitere Informationen folgen im Blog bei libref. oder bei theologischen Fakultäten der Schweiz. Prof. Dr. Reiner Anselm befasst sich mit dem Gedankengut.

Liberale Theologie heute

Gibt es ein Bündnis des Christentums mit der modernen Welt, oder bedeutet der Auf-bruch aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit unweigerlich auch das Ende der christ-lichen Religion? Diese Frage steht am Anfang der liberalen Theologie und auch des libe-ralen Protestantismus, und die Vordenker des theologischen Liberalismus zögerten nicht, entschieden nicht nur die Vereinbarkeit, sondern auch das Bündnis von protestantischem (reformiertem*) Christentum und Moderne zu betonen: Beide nämlich rückten, so die Überzeugung, den einzelnen Menschen, das Individuum in den Mittelpunkt. Der beson-dere Respekt vor dem Einzelnen, seiner Freiheit und seinen unveräußerlichen Rechten und seiner Fähigkeit führte die liberalen Theologen dazu, sich aller Bevormundung und Unterdrückung des Einzelnen, sei es durch Staat oder Kirche, entgegenzustellen. Indem sie jeden Einzelnen als gleichberechtigtes Geschöpf Gottes ansahen, distanzierten sie sich zugleich von Vorstellungen, die vorrangig auf die Durchsetzung der eigenen Interes-sen setzten.

Die Vordenker des liberalen Protestantismus waren dabei aber durchaus Realisten. Sie waren davon überzeugt, dass es sich bei den Ideen von Freiheit, Gleichheit und Solidari-tät keineswegs um Selbstverständlichkeiten handelt, die sich dem Verständigen schon von selbst darstellen. Sondern sie legten das Augenmerk darauf, dass es einer bestimm-ten Wirklichkeitssicht bedürfe, um diese Gedanken gegenüber allen Bestreitungen von konservativer, aber auch gegenüber allen Perversionen, wie sie sich in der französischen Revolution so grauenhaft Bahn gebrochen hatten, in der rechten Balance zu halten. Die-se Wirklichkeitssicht fanden sie begründet in der reformatorischen Lehre von der bedin-gungslosen Annahme des Einzelnen durch Gott.

Damit diese Wesensverwandtschaft zwischen Protestantismus und Moderne weiter be-stehen könne, aber auch damit die Moderne nicht einer wichtigen Antriebs- und vor al-lem ihrer Regulierungskraft verlustig geht, setzten die Vertreter der Liberalen Theologie darauf, die traditionellen Lehrgehalte des Christentums so auszulegen und zu transfor-mieren, dass die geschilderte, für unabdingbar erachtete Bedeutung der protestantischen (reformierten*) Religion auch in der Neuzeit verständlich bleiben und die ihr zugeschrie-bene Funktion erfüllen könne. Zugleich suchte der theologische Liberalismus das Bünd-nis mit allen Strömungen und Teilbereichen der Gesellschaft, die sich einer Weiterent-wicklung der Kultur, hin zu einer humanitären Gesellschaft verpflichtet wussten. Gerade auch die Rechts- und Verfassungsordnung stellte einen wichtigen Bereich für das Enga-gement liberaler Protestanten dar, auch hier ging es vorrangig darum, überbordende Au-toritätsansprüche zurückzuweisen.

Der liberale Protestantismus hatte einen durchaus bedeutsamen Anteil an der Formung von Grundsätzen, die für moderne Gesellschaften heute selbstverständlich sind, wie etwa der Gedanke der Grund- und Menschenrechte oder auch des Frauenstimmrechts. Da seine Grundsätze aber mittlerweile längst zum Gemeingut moderner Gesellschaften ge-worden sind, schwindet selbst bei seinen eigenen Anhängern das Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Form des Christentums. Die jüngsten Erfahrungen mit dem Wie-dererstarken der Religion, die Erfahrungen auch, dass Religionen, wo sie nicht durch die Vernunft und auch durch das Recht kultiviert und in Schranken gewiesen werden, prob-lematische Züge annehmen können, machen deutlich, dass die Grundimpulse des libera-len Protestantismus und auch der liberalen Theologie nach wie vor ihre Berechtigung haben, wenn nicht sogar einer Renaissance bedürfen.

Reiner Anselm

* Der Prix libref. richtet sich an Fachpersonen, angehende Fachpersonen und wir Laien wären diesem Nachwuchs dankbar, wenn in Zukunft Begriffe so definiert werden, dass alle das Gleiche darunter verstehen oder im entsprechenden Fall die richtigen Wörter anwenden. Das wäre doch ein Thema: «Klare Definitionen von reformiert, protestantisch und evangelisch».

Rainer ist protestantisch evangelisch und ich reformiert evangelisch, wobei ich bei der Schweizer Armee als Protestant bezeichnet wurde. Letzteres ist meiner Meinung nach in der Schweiz heute nicht korrekt, es sei denn der «Grabstein«-Erfinder wäre nur der französischen Sprache mächtig gewesen. Nur eines ist ganz klar, evangelikal sind weder Reiner noch ich – wir sind eben liberal. «Und fürchtet euch nicht, denn diese paar Zeilen werden Diskussionen geben.» SMS 1

Huehnerich
Haehnin

Der Hahn – das Symbol der Reformierten. Bei dieser Spezies müsste man sich überlegen, ob nicht Hühnerich oder Hähnin die richtige Bezeichnung wäre. Oder hat sich da eine Fischflosse eingeschliechen? Möglich, denn die drei liegen Faul en See umgeben von Gnohmen und Elfen.

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© libref – Text und Foto: Stephan MartiFinanzblog

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