Pakistan ganz normal
Selbstmordanschläge, Strassenblockaden, Streik der Naanbais – der traditionellen Brotbäcker und Stromausfälle. Das ist der Normalzustand nicht nur in Islamabad, sondern in ganz Pakistan. Das Versprechen, die Preise auf den Stand wie vor 15 Jahren zu bringen, ist gescheitert. Die Bevölkerung sieht langsam ein, dass auch die neue PPP Regierung unter dem Präsidenten Zardari, keine Wunder für den armen Mann bewirken will. Die USA kämpft ihren Krieg weiter gegen die Taliban und Al Qaida im Grenzgebiet zu Pakistan. Hingegen fordert die amerikanische Politik die Talibana in Afghanistan auf, an der Zentralregierung teilzunehmen – in der Hoffnung, die Taliban als Verbündete gegen Al Qaida zu gewinnen. So verrückt kann die Politik sein. Oder ist das der Normalzustand?
Islamabad aus der Sicht der Geschäftsleute
Best Taylor nennt sich das Schneidergeschäft im Super Market in Islamabad. Normalerweise ist dies ein Ort des Shoppingvergnügens und der Restaurants. Ich frage einen Angestellten, wie er seine Geschäftssituation nach dem Marriott-Anschlag einschätze. Schon vor der Hotel-Explosion sei die Lage nicht sonderlich gut gewesen, erwidert er. Schon vorher habe es Anschläge gegeben, nun sei der Markt praktisch leer und die Kundschaft fehle. Ob sich noch Ausländer in den Markt wagen, wollte ich wissen. Zu ihnen hätten sich keine ausländischen Kunden verirrt. Aber auch die pakistanischen Käufer fehlen. Wie es weitergehen soll, wüsste er nicht. Auch die Festtage, die sonst ein gutes Geschäft bedeuten, seien nicht aus den roten Zahlen gekommen. Die Sicherheit fehle und niemand verliesse sein Haus freiwillig. Auf die Frage, ob Präsident Zardari der Retter Pakistans ist, meinte der Schneider: Wenn Zardari genauso ehrlich und Ziel gerichtet arbeitet, wie er es getan hat, um Präsident zu werden, dann könnte er sicher auch das Land retten.
Mein Coiffeur, Naseer Ahmad, der seinen Laden in Bhara Kahu, einer Vorstadt Islamabads hat, stöhnt. Er habe keine Arbeit. Bis am Abend verdiene er mit Ach und Krach 200 Rupien. Mit diesen Einnahmen könne er seine Familie, die in seinem Dorf lebt, kaum ernähren. Alles sei teurer geworden und es wäre bereits ein Wunder, wenn man am Abend Essen kaufen könne. Was er als Hauptproblem betrachten würde, fragte ich Naseer. Das seien die Anschläge. Die meisten Opfer wären Leute wie er, aus der Unterschicht. Ob sich denn die politische Situation mit der Wahl der PPP und dem Präsidenten Zardari nicht dramatisch verbessert habe – so das Versprechen vor den Wahlen, wollte ich wissen. Der PPP Wähler Naseer sagt enttäuscht, dass sich die Situation verschlechtert habe. Zardari sei an der Macht und sie hätten eine noch grössere Teuerung als unter Musharraf. Er lamentiert, dass jeder, der an die Macht ist, seine eigenen Kassen fülle. Alle seien Diebe und Gauner.Zwei Ausländer, die sich nicht von den Terroristen bezwingen lassen
Linda Gask, Psychiatrieprofessorin an der britischen Universität Manchester, ist nicht zum ersten Mal in Pakistan. Ob sie denn keine Angst habe, wenn sie in das bombastische Pakistan käme. Angst habe sie nicht, sie sei aber inzwischen vorsichtiger. Beim letzten Besuch wohnte sie im Hotel Pearl Continental, da habe sie sich sicherer und entspannter gefühlt. Doch diesmal sei überall die Sorgen den Menschen anzusehen. Sie würde auf jeden Fall auch zukünftig wieder nach Pakistan kommen, um hier den Menschen zu helfen. Die Terroristen wollen, dass man sich einschränkt, dass man die Gewohnheiten ändert. Gask meint, dass man es auf keinen Fall zulassen darf, dass die Terroristen gewinnen. Vielleicht werden sie am Anfang mit dieser Taktik erfolgreich sein. Hoffnungsvoll meint die Professorin, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Unsere Angst darf uns nicht bezwingen.
Eine Psychoanalyse des pakistanischen Volkes
Freed Minhas, Psychiatrieprofessor am Rawalpindi Medical College und Vorsteher der Psychiatrieabteilung des General Hospitals, ist überzeugt, dass der mentale Zustand der Pakistaner schlecht sei. Die grösste Herausforderung für die Bevölkerung sei das Überleben. Finanzielle Engpässe, Ausbildungsprobleme, Gesundheit und der Privathaushalt seien die grössten Sorgen, die auch zu psychischen Problemen führen können. Welchen Einfluss hat der Bombenanschlag auf die Bevölkerung in Islamabad, wollte ich wissen. Minhas meint, dass nach jedem Anschlag wir es mit traumatisierten Menschen zu tun haben. Sobald die Leichen weggetragen, die Verwundeten verarztet und die Trümmer abgetragen sind, haben wir es mit den emotionalen Schäden zu tun. Die sind schwieriger zu behandeln. Die Explosion vor zwei Wochen, die immer wieder in den Medien gezeigt wurde, ist vielleicht bald aus den Gedanken der Menschen. Doch die Wunden sind frisch für jene, die Angehörige verloren haben oder deren Geschäfte zerstört wurden. Diese Wunden zu behandeln ist schwierig.
Und zum Schluss noch dies
Kürzlich besuchte der Präsident Zardari einen Schrein und schrieb in das Gästebuch: „May Gaad give us the street to save Pakistan“. Wohl meinte er „God“ und „strength“, dann würde es heissen: „Möge Gott uns die Kraft geben, Pakistan zu retten“. Dieser Eintrag hatte einen Medienkrieg zur Folge. Man sah darin eine Verschwörung gegen den Präsidenten. Schlussendlich verschwand die Seite im Gästebuch und somit auch jeder Beweis. Das sind klare Lösungswege, solche braucht Pakistan. Deshalb ist Zardari der richtige Mann für Pakistan.
Yahya Hassan Bajwa, Islamabad/Pakistan
TransCommunication
Research and Communication
Dr yahya hassan bajwa
POB 1351
5400 Baden
Switzerland
www.TransCommunication.info
Dieser Artikel erschien in Kurzform in der Aargauer Zeitung … dem Wohnkanton von Yahya und mir. Auf der einen Seite wünsche ich ihm gute Besserung von Husten und Schnupfen und auf der anderen Seite nimmt er sich so wenigstens in der kalten Jahreszeit die Möglichkeit, warm zu duschen. Solche Informationen zeigen zusätzlich, wie die Leute dort leben und welche Ansprüche sie ans Leben stellen können. Pakistan, das Land weit weg von uns … Bevölkerungs mässig an 6. Stelle auf der Welt. Spätestens in 20 Jahren ein Big Player auf unserem Planeten.
Ich denke, in der Finanzwelt ist es besonders wichtig, das Heute und die Zukunft von Emerging Markets (EMMA) an zu schauen, die nicht alltäglich sind.
Ein Beitrag über «Geld und Finanzen – leicht erklärt» – einer Idee von Tari Eledhwen aus Solothurn. Er wird auch im Personalblog und bei libref aufgeschaltet.
Vor einem Jahr erschienen: Glaubens- und Gewissensfreiheit – Wende in der Bundesgerichtspraxis
Vor zwei Jahren erschienen: Glaubenssache
Vor drei Jahren erschienen: Forum für einen fortschrittlichen Islam
Text und Foto: Stephan Marti – Finanzblog