Erwachsenenschutzrecht & Glaubens- & Gewissensfreiheit


Neues Erwachsenenschutzrecht & Glaubens- & Gewissensfreiheit in mündig gewordner Zeit

Die Schweizerische Vereinigung für freies Christentum entstand als Lobby für die Glaubens- & Gewissensfreiheit, die 1874 Verfassungstext effektiv wurde. Das Engagement zeitigte Erfolg, und nun steht ein ‚Erwachsenenschutzrecht als Novelle zum Vormundschaftsrecht des ZGB von 1912 an. Ob es mit der Verfassungsnovelle kompatibel ist, welche unsre Gründerväter injizierten? Es führt das Prinzip von Selbstvorsorge ein. Mit einem Vorsorgevertrag, einer Patientenverfügung usw. kann für den Fall vorgesorgt werden, dass wir einmal ausserstande sein können, ‚unsre Angelegenheiten gehörig zu besorgen’. Der Fall gewinnt mit dem Überalterungsprozess, neuen Krankheiten wie Alzheimer, die Vergesslichkeit, ja Selbstvergessenheit mit sich bringen, an Brisanz.

Beim Erlass des Zivilgesetzbuches bedeutete Entmündigen noch den bürgerlichen Tod, in welchen ‚Querulanz’ entsorgt wurde, und Witwen erhielten Vormünder, welche die ererbte Wirtschaft leider nicht allzu selten in ihre eigne Kasse wirtschafteten. Solch bürgerlicher Tod ist heute bis an die Grenze von Demenz hinausgeschoben, doch die Frage bleibt: Ist der neue Ansatz ‚fortschrittlich’ genug? Sie stellt sich formal bspw. dahin, welche Instanz dieses Beistandschaftsrecht betreut: Verwaltung, Gericht, so genannte freiwillige Gerichtsbarkeit auf einseitigen Antrag hin? Der Menschenrechtler Jörg Paul Müller mahnt in ‚Reformation 2/2007 an, dass Devianz, ‚Auffälligkeit’ des Einzelnen im Einzelfalle als Ausdruck von gesellschaftlicher Not eine demokratische Antwort auf die Frage verdient: Was ist etwa die Botschaft hinter solch paradoxer, missglückter Kommunikation eines ‚Spinners’, welche an den Fall von Beistandsbedürftigkeit im Urteile des Staates rührt, die trotz des neuen Gesetzestitel ‚Erwachsenenschutzrecht’ aus der Position des ‚Spinners’ heraus bevormundet? Die explizite und die implizit-verschlüsselte Botschaft will als Impuls für ein besseres Verständigen verstanden sein, welche an die Glaubens- & Gewissensfreiheit rührt. Sie ist gekoppelt mit der Freiheit zu zweifeln. Wir sind nicht zweifelhaft frei, doch wir sind frei zu zweifeln. Das ist Erbe der Antike, auf welches der Apostel Paulus in Athen vor der Statue des ‚unbekannten Gottes’ stiess. Der Angeklagte ist im Zweifel freizusprechen, und der Deviante ist im Zweifel vor dem ‚Beistandschafts-Richter’ zu schützen. Behörden denken binär: Wer nicht normal ist, ist anormal- auffällig. Die Vernunft hat die Definitionshoheit gar über Sinn (und damit auch Irr-Sinn) errungen, obwohl sie in der Sinnlichkeit gründet, wie zu erinnern ist. Was an Zwischentönen von Glauben, Meinen, Dafürhalten, Zweifeln, Fragen ging damit verloren, das als solches Erbe der Skepsis für Glaubens- & Gewissensfreiheit denknotwendig ist. Wir können gar nicht genug – in einer mündig gewordnen und keineswegs mehr zweifelsfreien Welt nach Dietrich Bonhoeffer – zweifeln. Ulrich Neuenschwander, der zu früh verstorbne berner liberale Theologieprofessor, geht in ‚Zwischen Gott & das Nichts’ darauf ein. Zweifeln bedeutet keinen Ab-Fall. Er ist der Fall seit dem Abfall aus dem Paradiese, Ringen auch um Glauben steht an. Die schriftliche Fixiertheit religiöser Botschaft ist ebenso zu bezweifeln wie der Gesetzesbuchstabe, darin der Stab steckt, welcher einst über dem Delinquenten gebrochen ward. Sie ist selbst ein Teil des Problems von Mündigkeit, die neu auf dem Spiele steht.

Als Dachverband engagieren wir uns für eine ‚zweite Aufklärung’ mit einem Menschenrecht, das sich am religiösen, d.h. von der Glaubens- & Gewissensfreiheit geschützten Frieden orientiert. Die Gesetzesnovelle zum ‚Erwachsenenschutzrecht’ verdient unsere Aufmerksamkeit als Teil unserer coporate identity bzw. ‚mit historischer Begründung’, damit das ‚Schutzrecht’ über Erwachsene einer mündigen Welt sich als solches im Focus von Glaubens- & Gewissensfreiheit zu erweisen haben wird.

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