«Biviocchio in der Casa Veneziana
Meilenstein Nr. 6
Venedig, so heisst’s in Bivio, steht auf Baumstämmen von Arven, Baum-Königinnen der Alpen, welche am Septimer geschlagen worden sind, und von einem dieser Stämme wird eine ganz besondere Geschichte erzählt;
Schwer schlugen eines Abends grosse Hämmer auf den letzten Stamm des Tagewerks, um ihn tief in der Lagune zu verankern, denn am andern Morgen sollte über ihm der Boden von einer Kapelle für die Bivianer gelegt werden, welche als Zuckerbäcker in der Lagunenstadt arbeiteten. Mehr Bündner als Venezianer buken zu Zeiten in Venedig. Doch packte diesen Stamm das Heimweh. Er ächzte, stöhnte. Der letzte Arbeiter hörte ihn, verstand sein Heimweh, denn auch er war hier ein ‚Fremdarbeiter aus Bivio’, erbarmte sich, schnitt ein Stück aus ihm heraus und schnitzte es zu einer Puppe, die er Silvia, seinem Töchterchen in Bivio, schenken wollte, wenn er im Herbst zurückkehrte. Verblüfft stellt er stattdes fest, dass die Puppe ‚lebte’, sich seinen Händen entwand, noch ehe sie ganz fertig geschnitzt war, und sich aus dem Staube schlich. Der linke Arm war nicht ganz fertig geworden, und, ja, im Innern, da fehlte schon noch so mancherlei, so auch ein gutes Herz. Wie der Arbeiter sah, wie rasch seine Puppe sich auf den Weg – nach Hause – machte, lachte er, statt sie zurück zu halten. Das Leben würde schon noch an ihm schnitzen, bis er endlich fertig werden würde: „Biviocchio“, rief er ihm nach, sollst du heissen, wenn du nach deinem Namen gefragt wirst. Man wird den Weg nach Bivio dann zeigen, und: Wer einen Namen hat, ist vielleicht zwar noch keine fertige Puppe, doch schon ein ganzer Mensch.
Doch auf dem Wege lauerten erste Gefahren für einen, der ‚nicht ganz fertig war’, denn ein hinterlistiger Kerl will Biviocchio sogleich ans Marionettentheater von Chiavenna verkaufen. Er lässt sich leichtfertig beschwatzen, wird der Star im Marionettentheater, genießt sein Rolle als Publikumsliebling, zumal der weiblichen Theaterbesucher. In manch Abenteuer, teuren Abend, verstrickt er sich, doch damit sein neuer Goldesel ihm nicht entwischt, schließt der Theaterdirektor ihn nach der Vorstellung je in einen Käfig. Pinocchio ist am Boden zerstört, und er verspricht, sich zu bessern. Der Theaterdirektor glaubt ihm nicht, schickt ihn nach Bivio. Er soll dort Erz dort in den Gruben von Natons fördern. Klein genug ist er dafür, sich tief in en Berg hinein zu arbeiten, wo er eine Fee mit dunkelblauen Haaren findet, die ihm die schwere arbeit erleichtert, solange er sie nicht frage, wie sie heiße oder doch, wohin sie ging. Die Versuchung war zu groß zu erfahren, wer die Fee war.. Binocchio sann auf eine List. Er streute Staub von der Kohle, die er brauchte, um das Erz aus den Felsbrocken zu schmelzen auf den Boden. Sie würde eine Spur darauf zurücklassen, auf welcher ihr zu folgen gedachte, er würde dann auch den besten Weg finden, um mit den schweren Erzbrocken ins Tal nach Stalvedro zu kommen, um sie dort zu schmelzen. Bis heute sind Schlackenspuren von dieser Erzverhüttung dort zu finden, und doch hatte die Fee ihn durchschaut, ja eingesehn: Er taugte nicht für den Bergbau, und so versetzte sie ihn in die Casa Veneziana, wo er sich nur noch über große Contorbücher beugen mußte, in welchen die geförderten Erze registriert wurden, und aus Venedig neue Bergarbeiter angeheuert wurden. Anstatt neue Listen zu ersinnen, füllte er Listen aus. Er beschloss, ein guter Kaufmann zu werden, und so gefiel er auch dem Mädchen, Silvia, an welches sein Schnitzer ihn hatte schenken wollen… und welches ihm als Fee von Natons begegnet war. Es schenkte ihm sein Herz, das, als er geschnitzt worden war, nicht ganz fertig geworden war. Die Beiden sind (so sie nicht gestorben sind) noch immer ein Paar, woran nichts ändert, daß Biviocchio seinen linken Arm lebenslänglich etwas hölzig nur zu bewegen weiß.»
Ein Beitrag von Jean-Claude Cantieni
Wegscheide – das hätte es für mich auch einmal fast geheissen. Im Film sehen sie während der Fahrt mit dem Schneeflug eine schöne Kurve den Julier hinauf. Heute mit Leitplanke. Ich bin in der Rekrutenschule diese Strasse, damals schneefrei, nach Bivio hinunterter gefahren. Mit einem Militärlastwagen, einem 2DM und in dieser Kurve ist das Lenkservo ausgestiegen. Damals noch ohne Leitplanke. Manchmal gehört eine riesengrosse Portion Glück zum Leben. Und wenn ihnen dies einmal passieren sollte, dass ein Fahrzeug plötzlich anscheinend nicht mehr lenkbar ist, so zählen sie lieber auf eine blitzschnelle Reaktion und einen riesengrossen Kraftaufwand, denn Steuern geht immer noch, aber nicht mehr so leicht …
Zusammenstellung und Bemerkungen: Stephan Marti-Landolt – finanzblog