«Kämpft weiter, ich habs heiter»

Ein Spruch, den Ernst Sieber zu Lebzeiten pflegte. An Pfingsten wurde bekanntgegeben, dass er am Samstag mit 91 Jahren verstorben ist.

Einer, der keinen Heiligenschein brauchte. Ein Mensch, den man nicht vergessen wird. Und der Spruch, der auf seinem Grabstein stehen soll, müssen wir echt Ernst nehmen. Mit Ernst habe ich einmal über den letzten Flug diskutiert. Keiner wusste, wie lang er dauert. Falls er längere Zeit dauert, weiterhin guten Flug … bei der Landung werden garantiert alle applaudieren oder haben dich bejubelt.

In den Zeitungen findet man genügend Würdigungen und einen schönen Kommentar:

Nicht Adieux, sicher aber à Dieu und hoffentlich auf Wiedersehen.

Pfingsten, was ist das eigentlich ganz genau? 49 Tage nach Ostern! Einige Gedanken über Pfingsten von Prof. Dr. em. Jean Ziegler und die Worte von Jean-Claude Cantieni möchte ich nicht vorenthalten:

«Darf ich diesen kurzen Kommentar des aus dem zweisprachigen Biel gebürtigen em. Professors für Theologie an der Uni Zch. als Pfingst-Gedankengang nachtragen. Die welsche Schweiz samt Frankreich führen die  neue Version der rubrizierten Bitte aufs anstehende Pfingstfest  ein, wonach Gott uns vor dem Holzwege bewahren möge, zwischen gut und böse nicht mehr zu entscheiden zu haben.  Der Holzweg ist ja leider meist als solcher zu spät zu erkennen, wenn er irgendwo seiner Natur nach im Dickichte endet. Strikt das geschulte Auge des Försters, theologisch gesprochen göttliche Vor(aus)sicht,  vermag ihn rechtzeitig zu erkennen, vor seinem Irrwege zu bewahren. Der bisherige Text: ‹Führe uns nicht in Versuchung’  schien anders davon auszugehn, dass wir erst, versucht, den Irrweg zu gehn, umzukehren haben.
Der Unterschied war schon den alten Griechen geläufig. Sie personalisierten Vor-Sicht und Nachsehn haben mit dem Brüderpaare Prometheus und Epimetheus. Die Differenz ist eine qualitative, kein strikt sprachliche Raffinesse, und doch sorgte die Frankophonie dafür, den Text zu revidieren; Sie formulierte bisher: ‚Ne nous soumets pas …›, als ob Gott  den Menschen unterwürfe (sous-mettre). – Ob wir Alemannen nachziehn? Für Graubünden würde ich dafür werben; Das Territorium wurde von Franken – nach den Römern – besiedelt, urbarisiert, geistig vermessen, wovon all› die Martinskirchen zeugen.  (Martin war fränkischer Heiliger  aus Tours,  ging in die Heiligenviten damit ein, dass er seinen Mantel für einen frierenden Bettler auftrennte, teilte.)
Besten Dank für Eure Aufmerksamkeit!
Mit herzlichem Grusse
Jean-Claude»

Ernst wird garantiert über die folgende Anekdote mit Prof. Zumstein lachen – vermutlich Jean auch. Die zweite Flasche Wein wird gebracht. Ich musste probieren. Gut, etwas mehr Fasston. Darauf Jean: «Der Wein hat Zapfen!» Die Flasche wurde ersetzt. Der Wirt – hochstehendes Restaurant, wie es bei der Lang-Stiftung Usus ist, denn dieses Abendmahl ist die einzige Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit – sie haben Recht, kein Zapfen, nur Fass. Ein echter Holzweg.

Und den Beitrag von Jean-Claude Cantieni zum Tod von Pfarrer Ernst Sieber möchte ich nachliefern:

«Liebe Freunde

Berufene Weggefährten Ernst Siebers würdigen den Verstorbenen, was ich  deshalb nicht erweiteren will. Eine eigne Reminiszenz darf ich trotzdem nachtragen;  Sie setzt ‚bildstark‘ ein. Zürich brodelte während der Studienzeit um 1968. Pfarrer Ernst pflanzte sich mit seinem Esel, Symbol der Langmut, deeskalierend  ausdrucksstark auf einer Zürcherbrücke zwischen aufgebrachten Demonstranten und Ordnungskräften auf, worauf der Diskurs über die anstehenden Zerwürfnisse in einer nahen Kirche friedlich fortgesetzt wurden; Brücke, Seelsorger  Esel mitten in einer pulsierenden Grossstadt. Das Bild erhielt seine Symbolkraft vom Kreuz her, welches den Bezug  zwischen Gott und dem Menschen dar- und herstellt, während der horizontale Kreuzesbalken zwischen den Menschen vermittelt.

Mit Studienschluss durfte ich Pfarrer Ernst  über eine Zeitdauer im Zivilschutzbunker am Helvetiaplatze assistieren, darin er Obdachlose’ in rauen Herbstnächten mit seinem Kleinbus ‚(her-)anschaffte› . Heterogener hätte ein Gruppe kaum zusammen zu kommen gehabt, und doch war sie unter so viel Einsamen, Einsamkeit von einem ‚All-Ein-Sein‘ gekennzeichnet, darin der Einsame aufgenommen war. Wer hier unten über viele Stufen abwärts anlangte, nachdem das Leben ihn schon viele Stufen hinab eskaliert hatte, brauchte niemandem was vorzuspielen. Das schweisste die Gesellschaft zusammen. Das Wortspiel mag für einmal erlaubt sein: Stufen, sind Skalen, de-eskalieren heisst dann ‚ab-stufen‘, d.h. Stufen aufheben, vergleichen,  vereinen … Für diese Einsicht, die hier im Bunker ‚am tiefsten Punkte zwischen Himmel und Erde‘ mir widerfuhr, bin ich Ernst, wie ich ihn nennen durfte, innigst dankbar.

JCC»

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